Trotz des Bilanzskandals bei der Muttergesellschaft wächst das Europa-Geschäft des japanischen Elektronikkonzerns weiterhin kräftig an.

Hamburg. Überraschender könnten die guten Nachrichten, die der Olympus-Europachef Stefan Kaufmann zu verkünden hat, zumindest fürAußenstehende kaum sein: Erst vorwenigen Tagen beschloss in Tokio die Spitze des von einem Bilanzfälschungsskandal erschütterten Technologiekonzerns den Abbau von 2700 Arbeitsplätzen. Doch in Hamburg, dem Standort der Europa-Zentrale und eines großen Werks, baut man die Belegschaft weiterhin kräftig aus.

"Wir haben eine Wachstumsstrategie und wir brauchen mehr Personal, um sie umsetzen zu können", sagt Kaufmann im Gespräch mit dem Abendblatt. Nachdem die Firma von 2010 auf 2011 bereits 166 Stellen in der Hansestadt aufgebaut hat, sollen im laufenden Geschäftsjahr bis März 2013 weitere 100 bis 150 Beschäftigte hinzukommen. Aktuell gibt es 50 offene Stellen in Hamburg, gesucht werden dabei unter anderem Wirtschaftsingenieure und Feinmechaniker.

Tatsächlich unterscheidet sich das Bild, das Olympus in Europa bietet, stark von dem des Mutterkonzerns in Japan: Während dieser in die roten Zahlen gerutscht ist, hat sich der Gewinn im Europa-Geschäft um knapp zehn Prozent erhöht.

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Kaufmann verhehlt allerdings nicht, dass es zunächst Verunsicherung bei den Mitarbeitern gab, nachdem das Unternehmen Anfang November 2011 Bilanzfälschungen in erheblichem Umfang einräumte. Erst wenige Tage zuvor war der 44 Jahre alte Manager, der seit 2003 für den Konzern tätig ist, an die Spitze der Olympus Europa Holding gerückt. "Das war keine einfache Phase", sagt er. "Aber heute überwiegt Stolz auf das, was wir gemeinsam erreicht haben." Denn nach einer "kurzen Zeit des Innehaltens" hätten sich die Beschäftigten schnell wieder auf das Wesentliche konzentriert.

"Ich hatte zu keiner Zeit Zweifel, dass wir das überstehen werden", so Kaufmann. "Olympus ist ein Unternehmen mit reellen Produkten, die sinnstiftend sind." Dies gelte nicht zuletzt für die Medizintechnik, die gut 60 Prozent des Umsatzes ausmacht. Hinzu kommen Kameras und Diktiergeräte (27 Prozent), Mikroskope für Mediziner und Materialforscher (knapp zehn Prozent) sowie Geräte zur Prüfung der Qualität von Oberflächen.

Für das aktuelle Geschäftsjahr plant Kaufmann, den Europa-Umsatz von zuletzt fast 1,4 Milliarden Euro um 7,5 Prozent, im Medizingeschäft sogar um zehn Prozent zu steigern. Er setzt dazu vor allem auf die Einführung wichtiger neuer Produkte in allen Sparten.

So bietet die Weiterentwicklung eines Geräts für die flexible Endoskopie den Ärzten eine erheblich verbesserte Bildqualität für Magen- und Darmspiegelungen. In der flexiblen Endoskopie hat Olympus nach eigenen Angaben einen Marktanteil von rund 70 Prozent. Ebenfalls neu ist das Operationssystem Thunderbeat, welches erstmals Ultraschall- und Hochfrequenztechnologie zum Durchtrennen von Gewebe und Versiegeln von Gefäßen vereinigt. Starre Endoskope produziert Olympus in Jenfeld. Das Werk ist das globale Kompetenzzentrum für diese Sparte. In Jenfeld hat das Unternehmen fast 670 Beschäftigte, insgesamt sind es in Hamburg gut 1800.

Zwar werden die Budgets im Gesundheitssektor nach Kaufmanns Einschätzung wohl angesichts der Euro-Krise in den nächsten Jahren nicht stark zulegen - trotz des steigenden Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung. Doch ermöglichen die neuen Geräte den Ärzten und Krankenhäusern ein effizienteres Arbeiten, etwa wenn man dank der besseren Bildqualität von Endoskopen Auffälligkeiten in Magen oder Darm sicherer einstufen kann und manche Gewebeproben daher zukünftig überflüssig werden. Außerdem lasse sich die für Untersuchungen und Behandlungen benötigte Zeit mit moderneren Verfahren reduzieren. "Geschwindigkeit spielt im Krankenhaus eine sehr große Rolle", so Kaufmann. Er weist aber auch darauf hin, dass zum Beispiel in Russland und im Nahen Osten die Gesundheitsausgaben pro Kopf noch vergleichsweise gering sind, was ebenfalls Wachstumspotenziale biete.

Sorgen um den Fortbestand von Standorten, für die er verantwortlich ist, macht sich Kaufmann nicht: "Alles, was wir hier in Europa tun, gehört zum erklärten Kerngeschäft." Manche Aktivitäten von Olympus außerhalb Europas jedoch stehen auf dem Prüfstand.

"Olympus hat sich gegenüber dem Kapitalmarkt falsch verhalten", sagt der Manager. "Aber unser gutes Verhältnis zu Kunden und Mitarbeitern hat uns bei der Bewältigung der Krise sehr geholfen." Zudem habe sich im Mutterkonzern mit insgesamt 35 000 Beschäftigten bereits vieles gewandelt: "Olympus hat nun ein Gremienmodell, das dem deutschen sehr ähnlich ist, mit einem unabhängigen Aufsichtsrat, der die Geschäftsführung kontrolliert."

Unklar ist aber noch, wie die erheblich angegriffene Kapitalbasis wieder gestärkt werden kann. Der Konzernvorstand prüft daher unter anderem die Möglichkeit, einen Partner zu finden, der sich mit einem Anteil von bis zu zehn Prozent an Olympus beteiligt. In Hamburg bleibt man jedoch auch angesichts dieser Planspiele gelassen: "Wir verfolgen das mit Interesse, aber nicht mit Unruhe."