Hochbahn wird 100, Teil 6: Wie Haltestellen zu “mobilen Verkehrsknotenpunkten“ werden. Verkehrsteilnehmer sollen auf das eigene Auto verzichten.

Hamburg. Rund 250 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Verbänden waren der Hochbahn-Einladung am 7. Juni gefolgt und nahmen an einer festlich gedeckten Tafel mitten auf dem Bahnsteig Platz. Dann wurde die neue Vorzeigehaltestelle HafenCity-Universität anlässlich des Festakts zum 100-jährigen Bestehen der Hochbahn in Szene gesetzt: Eine bunte Deckenbeleuchtung in Form von Containern symbolisiert den Hafen als bedeutender Containerumschlagplatz. Doch die Eröffnungsfahrt auf der neuen Strecke U 4, die das an der Elbe gelegene, neue Arbeits- und Wohnquartier HafenCity mit dem Jungfernstieg verbindet, ist für den Spätherbst vorgesehen.

Die vielen anwesenden Verkehrsexperten nutzten dieses Treffen natürlich auch zur Fachsimpelei. Dabei wurde deutlich, dass die Stadtplaner die U-Bahn über die Elbe bis auf die Flussinsel Wilhelmsburg verlängern wollen. Gleichwohl: Der ehemalige "Problemstadtteil" ist noch längst nicht so weit. Die derzeitige Zahl der potenziellen Fahrgäste würde eine Verlängerung der U 4 zurzeit noch nicht rentabel machen. Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Geld.

+++ Herbert Balz +++

Die neue U-Bahn-Linie 4 kostet bislang 323 Millionen Euro - ebenso viel wie die Elbphilharmonie (Stand: heute). Hinzu kommen noch Kosten für die geplante Verlängerung bis zu den Elbbrücken.

Überhaupt setzt das städtische Unternehmen bei der Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs in Hamburg nicht allein auf Busse und U-Bahnen. Eine zentrale Aufgabe der Zukunft sei die Verknüpfung unterschiedlicher Verkehrsmittel, sagte Hochbahnchef Günter Elste. "Wenn das Gesamtangebot gut ist, wächst auch die Bereitschaft zum Verzicht auf das eigene Auto." Daher will die Hochbahn zunächst an 30 Haltestellen den Umstieg in einen Mietwagen oder aufs Leihrad schnell und komfortabel ermöglichen. Dabei soll auch der Carsharing-Anbieter Car2go, der in Hamburg mit Hunderten Smarts präsent ist, eingebunden werden. In diesem Zusammenhang, so Elste, werde auch über optionale Abo-Angebote für HVV-Kunden nachgedacht, die dann ihre Mobilität durch die Autos und Räder erweitern könnten. Die Hochbahn solle dann wie ein Makler die Verknüpfung organisieren, sodass ihre Kunden das gesamte Angebot aus einer Hand erhalten und es beispielsweise über eine Smartphone-App flexibel buchen können. Kurzfristig sollen fünf bis sieben solcher "Mobilitäts-Servicepunkte" entstehen; der erste im kommenden Frühjahr am Verkehrsknotenpunkt Berliner Tor.

War es noch vor 100 Jahren die notwendig gewordene Anbindung neuer Wohnquartiere, die zum Bau der Hamburger U-Bahn führte, steht das Unternehmen heute vor der Herausforderung, dass die innerstädtische Mobilität angesichts immer knapper werdender Ressourcen und steigender Ansprüche an das urbane Leben vor einem tief greifenden Wandel steht. "Das Fahren mit dem eigenen Pkw wird dabei von der Lust zur Last", sagte Günter Elste und kündigte noch für dieses Jahr die neue Unternehmensstrategie "Hochbahn 2030" an, das den grundlegenden Wandel des gesamten Mobilitätssystems beinhaltet. Diese Entwicklung verläuft parallel zum zweiten Standbein des Nahverkehrsunternehmens. Schon bei seinem Amtsantritt im Jahre 1996 hatte Elste versucht, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Hochbahn voranzutreiben. Mit der Benex GmbH bündelt die Hochbahn in einer Holdinggesellschaft alle Verkehrsleistungen außerhalb Hamburgs.

+++ Das Jubiläumsbuch +++

Als Minderheitsgesellschafter ist daran der Infrastrukturinvestor International Public Partnership beteiligt. In Form einer Holding verwaltet die Gesellschaft jene Tochterfirmen der Hochbahn, die außerhalb Hamburgs aktiv sind. 2010 waren dies fünf Bahn- und drei Busverkehrsgesellschaften mit weiteren Tochterunternehmen. Diese Unternehmen erwirtschafteten im abgelaufenen Geschäftsjahr mit 1660 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 304 Millionen Euro und haben sich seit 2007 als zuverlässige Partner erwiesen. Mithilfe der Benex will die Hochbahn neues Kapital aufbringen, um im Schienenverkehr und im Busmarkt schneller expandieren zu können.

Das stadteigene Unternehmen mit seinem Portfolio an nationalen sowie internationalen Beteiligungen gilt längst als "Global Player" auf dem komplexen Geschäftsfeld des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Hochbahn ist heute das zweitgrößte Nahverkehrsunternehmen in Deutschland. Es beschäftigt rund 4400 Menschen, rund 420 Millionen Fahrgäste nutzen pro Jahr das Angebot. Doch schon bald werden es mehr als eine halbe Milliarde Menschen sein. Übrigens spricht auch ein kultureller Aspekt für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs: So stellte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in seiner Festrede zum 100. Geburtstag die Frage: "Wo sonst lesen so viele Menschen Bücher und Zeitungen wie in den Bussen und Bahnen?"

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