Trotz massiver Probleme in Berlin ist der Hamburger Flughafenshop-Betreiber auf Expansionskurs. Neues Gebäude für 350 Mitarbeiter geplant.

Hamburg. Eigentlich sind Gunnar und Claus Heinemann zwei ausgesprochen umgängliche und humorvolle Geschäftsleute. Doch über das jüngste Debakel am Hauptstadtairport Berlin-Brandenburg können sich die Inhaber von Europas größtem Flughafenshop-Betreiber Gebr. Heinemann noch immer aufregen. "Eine so überraschende und drastische Verschiebung einer Eröffnung haben wir noch nie erlebt", sagt Claus Heinemann und wippt ärgerlich in seinem hohen Ledersessel im Konferenzraum der Hamburger Konzernzentrale hin und her.

Und sein Cousin Gunnar erzählt, wie er im Auto von der Absage des geplanten Einweihungstermins Anfang Juni hörte. "Da bin ich erst einmal rechts rangefahren und habe ganz tief durchgeatmet." Sonst wäre er womöglich noch gegen einen Baum geknallt.

Neun verschiedene Geschäfte wollten die Hamburger in dem milliardenschweren Neubau in Schönefeld eröffnen. Eigene Duty-free-Shops und Heinemann-Travel-Value-Geschäfte ebenso wie Fachgeschäfte der Edelmarken Burberry, Boss und Hermès. 80 zusätzliche Mitarbeiter haben sie für den Hauptstadtflughafen eingestellt. Eines der größten Projekte in diesem Jahr sollte es werden.

Doch wegen mangelnder Brandschutzmaßnahmen und anderer Baumängel hat der Aufsichtsrat des neuen Flughafens die Eröffnung bekanntlich auf März kommenden Jahres vertagt. "Für uns bedeutet diese Verzögerung einen Schaden in einstelliger Millionenhöhe", sagt Claus Heinemann. Zu den zusätzlichen Personalkosten kämen auch noch die Umsatzausfälle in den kommenden Monaten hinzu. Die neuen Mitarbeiter würden nun im alten Berliner Flughafen in Tegel und in Schöneberg eingesetzt. "Mit dem Management des Airports Berlin-Brandenburg sprechen wir jetzt über einen möglichen Schadensausgleich."

Trotz der Schwierigkeiten in der Hauptstadt blickt man im Konzern aber durchaus optimistisch in die Zukunft. Es gibt genügend andere Projekte, mit denen die Chefs das Wachstum ihres Unternehmens vorantreiben können. Im Wiener Flughafen haben sie in der vergangenen Woche fünf neue Geschäfte in Betrieb genommen, und am neuen Flugsteig A-Plus in Frankfurt werden ebenfalls fünf zusätzliche Läden eröffnet. Insgesamt steigt die Zahl der Flughafenshops des Konzerns dadurch auf mehr als 240. Heinemann ist somit an fast 60 internationalen Flughäfen in 24 Ländern vertreten.

"Nach einem Umsatz von rund zwei Milliarden Euro im vergangenen Jahr rechnen wir für 2012 konzernweit mit einem Plus im zweistelligen Prozentbereich", sagt Claus Heinemann. Dazu tragen nicht nur die Flughafenshops des 1879 als Schiffsausrüster gegründeten Traditionsunternehmens bei, sondern auch die Bereiche Logistik und Distribution, über die weltweit mehr als 1000 Kunden von Fähren, Kreuzfahrtschiffen bis hin zu diplomatischen Vertretungen mit Waren beliefert werden.

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Um die Expansion noch besser steuern zu können, wollen die Heinemanns nun ihre Zentrale in der Hamburger HafenCity erweitern. Zu den bisherigen 12 000 Quadratmeter in einem alten Speicher an der Koreastraße sollen nun noch einmal rund 8000 Quadratmeter Bürofläche in einem benachbarten Neubau hinzukommen. "Wir hoffen, dass wir das zusätzliche Gebäude 2015 einweihen können", sagt Claus Heinemann. "Derzeit verhandeln wir noch über ein entsprechendes Grundstück." Bis zu 350 zusätzliche Beschäftigte sollen in der erweiterten Zentrale Platz finden, in der schon heute 450 Mitarbeiter beschäftigt sind.

Die deutlichen Zuwachsraten an den Flughäfen führen die Inhaber unter anderem auf die sukzessive Umgestaltung ihrer Shops und eine Erweiterung der Sortimente zurück. Im Erdgeschoss der Konzernzentrale befindet sich ein Testgeschäft, in dem die Heinemanns die jüngsten Änderungen in ihren Läden präsentieren.

Edle Rotweine, Parfüme und französische Pralinen stehen hier ebenso in den Regalen wie Stangen mit jeder Menge Zigaretten. "Delikatessen werden für uns immer wichtiger", sagt Claus Heinemann und greift in ein Regal mit italienischen Nudelspezialitäten und Balsamico-Essig. Auch die Duftabteilung haben die Chefs jüngst umgestalten lassen. Statt nach Marken sind die Parfüme nun nach Angeboten für Männer und Frauen geordnet. Das soll für mehr Übersicht sorgen.

Jahrzehntelang gehörte Gebr. Heinemann zu den "stillen Riesen" an den Flughäfen, kaum ein Reisender wusste, dass er in Frankfurt oder St. Petersburg bei dem Hamburger Konzern einkaufte. Doch seit einigen Jahren sind die Hanseaten dabei, die Geschäfte mit ihrem eigenen Namen zu versehen. Ein Bonuspunkte-Programm soll die Kunden zudem an das Unternehmen binden, und seit zwei Jahren können Reisende im Internet sogar Waren vorbestellen, die sie dann auf dem Weg zum Flieger abholen.

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"Das Angebot wird stark genutzt", sagt Gunnar Heinemann. "Frauen schreiben ihren Männern oft auf, welche Parfüme oder Kosmetika sie vom Flughafen mitbringen sollen und stellen mit der Vorbestellung gern sicher, dass die Artikel auch wirklich vorrätig sind."

Die Hamburger bieten Markenartikel nach ihren eigenen Angaben deutlich billiger als der übrige Einzelhandel an, obwohl der Vorteil des steuerfreien Einkaufs zumindest innerhalb der EU schon 1999 weggefallen ist. "Die günstigen Preise erreichen wir vor allem durch die Bündelung unserer weltweiten Einkaufsmacht", sagt Gunnar Heinemann. Außerdem seien viele Markenartikler stark daran interessiert, mit ihren Produkten an den Flughäfen vertreten zu sein und ließen sich daher auf besondere Konditionen ein. "Unsere Geschäfte haben auch eine Art Schaufenstercharakter."

Es sind vor allem kaufkräftige Osteuropäer, Chinesen oder Inder, die die Kassen in den Heinemann-Shops zum Klingen bringen. "Russen und Asiaten sind ausgabefreudiger als beispielsweise die Deutschen und bringen gern wertvolle Geschenke von ihren Reisen mit", sagt Gunnar Heinemann. Daher ist es kein Wunder, dass die Hanseaten die größten Wachstumschancen für ihr Unternehmen außerhalb Europas sehen. "Wir wollen künftig an mehr Airports in Asien vertreten sein."

Daneben bereiten die Chefs auch den Wiedereinstieg ins Geschäft in den USA vor, aus dem sie sich vor einigen Jahren zurückgezogen hatten. Im Augenblick beteiligen sie sich an einer Ausschreibung am Flughafen Los Angeles. "Generell sind alle großen Airports an der West- und Ostküste für uns interessant."

Festhalten wollen die Inhaber an der Grundstruktur des Familienunternehmens, das sie seit mehr als 30 Jahren gemeinsam führen. Gern sähen es die beiden Inhaber, wenn die fünfte Generation der Heinemanns in einigen Jahren das Ruder im Konzern übernehmen würde. Gunnar Heinemanns Sohn Max, 29, ist heute ebenso im Unternehmen aktiv wie Claus Heinemanns Nichte Franziska, 30. "Wir würden uns freuen, wenn die beiden in einigen Jahren an unsere Stelle rücken würden", sagen die Chefs.