Man nahm man sich viel Zeit bei der Planung des zukunftsträchtigen Verkehrsmittels. 5. Oktober 1906 offizieller Baubeginn der Hochbahn.

Hamburg. Während in London, Chicago, Budapest und Paris die Menschenmassen mit "atemberaubender Geschwindigkeit" unter der Erde und über Viadukte transportiert wurden, während in weiteren europäischen und US-Metropolen bereits kräftig an den Trassen gebaut wurde, nahm man sich in Deutschlands zweitgrößter Stadt viel Zeit bei der Planung des zukunftsträchtigen Verkehrsmittels.

Berlin war Hamburg um zehn Jahre voraus: Dort hatte der technikbegeisterte Kaiser Wilhelm II. 1893 per Kabinettsorder die preußische Beamtenmentalität ausgehebelt und grünes Licht für den Bau der ersten deutschen U-Bahn gegeben, die dann neun Jahre später in Schöneberg den Betrieb auf einer zunächst elf Kilometer langen Strecke aufnahm. Die behäbige Hamburger Verwaltung befand sich zu diesem Zeitpunkt dagegen auf dem Stand von 1860, als die Stadt "nur" 200 000 Einwohner hatte. Andererseits bot sich den Hanseaten so die Chance, die Fehler der Berliner zu vermeiden.

Als Erster präsentierte der Leiter des Hamburger Ingenieurwesens, Franz Andreas Meyer, seine Vision einer oberirdischen, dampfbetriebenen Alsterringbahn, die als Erweiterung der bereits bestehenden Verbindungseisenbahn von der Sternschanze über Eppendorf, Winterhude, Barmbeck (damals mit c) und Hasselbrook entlang der Trasse der Lübecker Eisenbahn bis zu den (damals noch vorhandenen) Wallanlagen am Steintor führen sollte. Eine Zweiglinie sollte den Ohlsdorfer Zentralfriedhof an die Innenstadt anbinden. Doch Meyers Trassenführung berücksichtigte den Hafen nicht - und Dampflokomotiven waren für einen Tunnelbetrieb denkbar ungeeignet.

Das Schwebebahnkonzept des Kölner Ingenieurs Eugen Langen von der Firma Van der Zypen & Charlier wiederum wurde für zu aufwendig und zu teuer befunden (es wurde 1901 zwischen den westdeutschen Nachbarstädten Barmen und Elberfeld realisiert).

1899 bot dann die mächtige Straßenbahngesellschaft SEG der Stadt an, die Kosten für den Bau einer "Unterpflasterstraßenbahn" mit Anschluss an das bestehende Straßenbahnnetz zu übernehmen und sich auch an den Baukosten des geplanten Hauptbahnhofs zu beteiligen. Im Gegenzug sollte Hamburg die Konzession des Straßenbahnbetriebs erweitern und verlängern. Technisch war gegen diesen Plan nichts einzuwenden.

Doch die beiden Hamburger Ingenieure C. O. Gleim und Th. Avé-Lallement hatten im Auftrag der Berliner Siemens & Halske AG und der AEG schon 1894 die Trasse für eine elektrifizierte Hoch- und Untergrundbahn ausgearbeitet, die am Hafen entlang führte, die Altstadt durchschnitt sowie alle wachsenden Stadtteile rund um die Alster berührte und mehrere Erweiterungslinien vorsah. Die modifizierten Pläne wurden den politischen Entscheidungsträgern vorgelegt, die natürlich die praktischen Erfahrungswerte des Berliner Unternehmens beim Bau der Budapester und der Berliner U-Bahn goutierten. Aber durfte man die SEG als finanzstarkes und vor allem hamburgisches Verkehrsunternehmen bei diesem Projekt übergehen?

Auf Initiative des Bürgermeisters Mönckeberg taten sich daher die Berliner Unternehmen Siemens & Halske AG und AEG zunächst mit der SEG zusammen und legten im November 1901 einen gemeinsamen Plan für ein Hamburger Schnellbahnnetz vor. Eine noch zu gründende "Bau- und Betriebsgesellschaft für die Stadt- und Vorortsbahnen" sollte die neue Schnellbahn konstruieren und später auch betreiben.

Ein zäher Verhandlungsmarathon begann. Häufig endeten die Sitzungen der Bürgerschaft in einem Tumult. Der Grund hierfür war der schlechte Ruf, den die SEG unter den meisten Parlamentariern genoss, denn dem Unternehmen war die Rentabilität offensichtlich wichtiger als die bedarfsgerechte Anbindung der vielen neuen Wohnquartiere. Die SEG-Gegner bestanden darauf, diese Gebiete bei der Streckenführung zu berücksichtigen, um deren Besiedlung zu fördern. So wurde 1904 eine Beteiligung der Straßenbahner an der neuen Schnellbahn abgelehnt und Bürgermeister Mönckeberg "okkupierte" kurzerhand die Tunnelidee für das Berliner Konsortium.

Doch erst am 1. Juni 1906 wurde der Bauvertrag unterschrieben. Die Bauzeit für die Ringlinie rund um die Alster wurde auf fünf Jahre, die der geplanten Nebenstrecken nach Eimsbüttel und Rothenburgsort auf weitere drei Jahre festgesetzt. Für 55 Millionen Mark sollte das Berliner Konsortium die neue Schnellbahn bauen, die über Viadukte und unter der Erde fahren würde. Der Betrieb der neuen Schnellbahn sollte später öffentlich ausgeschrieben werden. Die Gesellschaft zog ins brandneue Semperhaus an der Spitalerstraße. Als Generalbevollmächtiger für alle Verhandlungen mit den Vertretern der Stadt wurde Regierungsbaumeister a. D. Wilhelm Stein ernannt.

Der 5. Oktober 1906 darf heute als offizieller Baubeginn der Hochbahn angesehen werden, als Bautrupps begannen, Bäume am Kuhmühlenteich abzuholzen und einen Anleger für eine Materialbahn zu errichten. Gleichzeitig wurden an der Uhlandstraße die ersten beiden Häuser abgerissen, die der Trasse im Weg standen. Im Dezember erfolgte dann am Adolphsplatz der erste Spatenstich für den Tunnelbau.

Morgen lesen Sie: U-Bahn-Ring in vier Etappen. Im Ersten Weltkrieg müssen die Frauen ran. Die "Belgrad Connection".