Der Hamburger Weltmarktführer BSN Medical geht für 1,8 Milliarden Euro an den schwedischen Finanzinvestor EQT.

Hamburg. Jetzt ging es doch ganz schnell. Gestern wurde bekannt, dass der Hamburger Gesundheitsspezialist BSN Medical an die schwedische Investmentgesellschaft EQT verkauft wurde. Für den Preis von 1,8 Milliarden Euro übernimmt der neue Eigentümer ein kerngesundes Unternehmen, das seit Jahren kontinuierlich wächst. Betrug zum Beispiel im Jahr 2002 der Umsatz des Leukoplast-Herstellers nur gut 455 Millionen Euro, so erwirtschafteten die weltweit 4000 Mitarbeiter, davon mehr als 350 in der Verwaltung und im Werk in Hamburg, im vergangenen Jahr rund 670 Millionen Euro. Verkäufer von BSN Medical ist die Anlagegesellschaft Montagu, die das Unternehmen 2005 jeweils zur Hälfte von Beiersdorf und dem britischen Unternehmen Smith & Nephew übernommen hatte.

Montagu wollte BSN eigentlich schon vor zwei Jahren an die Börse bringen. Doch der Plan schlug wegen der Folgen der Finanzmarktkrise fehl. Also suchte der BSN-Eigentümer nach Käufern, denn Finanzinvestoren wie Montagu leben davon, dass sie Firmen übernehmen, sie fit machen und dann wieder abstoßen.

BSN Medical hat von dieser Strategie profitiert. Unter Montagu konnten die Hamburger in den vergangenen gut sechs Jahren neue Geschäftsfelder erschließen und in einigen Bereichen wie etwa der Kompressionstherapie sogar Weltmarktführer werden. Kompressionstherapie umfasst zum Beispiel medizinische Strümpfe und ähnliche Produkte, die für die Behandlung von Krampfadern eingesetzt werden. Zu den Marken des Unternehmens zählen neben Leukoplast auch Jobst-Kompressionsstrümpfe oder Fixomull.

Auch in einem anderen Markt, der derzeit vor allem bei Sportlern groß in Mode gekommen ist, haben die Hamburger zumindest bundesweit die Nase vorn. "Unser Marktanteil beim sogenannten Tapen liegt in Deutschland bei 90 Prozent", sagte BSN-Europa-Chef Andreas Hogrefe gestern dem Abendblatt. Getaped wird zum Beispiel bei Verletzungen, um Gelenke zu schützen. Auch gegen Schmerzen werden immer häufiger Körperstellen mit den wie Pflaster aussehenden Tapebändern beklebt. Weltweit liegt BSN Medical beim Tapen vorn - nur nicht auf dem amerikanischen Markt.

In den USA ist Tapen bereits seit Langem bekannt. Viele Sportler in dem Land tapen ihren Körper vor einem Lauf oder einen Spiel auch dann, wenn sie bislang noch keine körperlichen Beschwerden haben. "Bei uns in Europa hingegen wird meistens erst dann getaped, wenn eine Verletzung bereits vorliegt, also wirklicher Bedarf besteht", sagt BSN-Manager Hogrefe.

+++ Finanzinvestor EQT kauft Leukoplast-Hersteller BSN +++

Seit der Trennung von Beiersdorf und Smith & Nephew hat das Unternehmen massiv in die Forschung investiert. Inzwischen ist knapp jedes fünfte Produkt von BSN jünger als fünf Jahre. Vor fünf Jahren betrug dieser Wert lediglich vier Prozent. Neu ist zum Beispiel ein Verband, der gleichzeitig Bakterien aus einer Wunde herauszieht und diese abtötet. Oder ein Kompressionsstrumpf, der mit einem Reißverschluss versehen ist - damit einfacher an- und auszuziehen ist. Zudem können so Wunden leichter versorgt werden: Man muss nur am Reißverschluss ziehen.

Nach der Übernahme durch Montagu, die Beiersdorf und Smith & Nephew damals 1,03 Milliarden Euro in die Kasse spülte, hat BSN Medical eine komplett neue Strategie entwickelt. Ziel war es, sich unabhängiger vom klassischen Krankenhausgeschäft zu machen und globaler zu engagieren. Mittlerweile ist der Anteil des Geschäfts außerhalb der Kliniken auf weit über 50 Prozent gestiegen.

Das Wachstum in sogenannten neuen Märkten wie Indien ist inzwischen überdurchschnittlich. "Wir sehen in BSN eine äußerst attraktive Wachstumsstory, die zugleich hohe zyklische Unabhängigkeit aufweist", sagte Marcus Brennecke von EQT Partners. Neben der Stärkung der Position des Unternehmens in den bestehenden Kernmärkten und zentralen Produktbereichen liege weiterhin enormes Potenzial in dem Eintritt in neue geografische Märkte. Brennecke hat vor allem ein stärkeres Engagement der Hamburger in Asien und Südamerika im Visier.

Mit einem verwalteten Fondskapital von 18 Milliarden Euro zählt EQT zu den führenden Finanzinvestoren in Nordeuropa. Insgesamt hat das Unternehmen bereits rund 100 Beteiligungen erworben, von denen 50 wieder verkauft werden konnten. In Deutschland zählt die Springer Science+Business Media zum umfangreichen Portfolio. Das Unternehmen ist der weltweit zweitgrößte Verlag für Zeitschriften in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Medizin. Auch die schwedische Hotelgruppe Scandic, die im September ihr erstes Haus in Hamburg eröffnen wird, gehört EQT. Genauso wie die deutsche Firma CBR mit den Modemarken Street One, Cecil und One Touch. Von Mode bis zu Kompressionsstrümpfen - EQT stellt sich breit auf.