Nach 1842 begann der Bau des Hamburger Sielnetzes. Seitdem wird an dem 5500 Kilometer langen Rohr- und Tunnelsystem in der Hansestadt gearbeitet.

Hamburg. Jeder würde hier einen bestialischen Gestank erwarten, als Hans-Joachim Hoch zum Abstieg einlädt: Der Bezirksmeister Bau der städtischen Stadtentwässerung will heute einige Abschnitte des Hamburger Sielnetzes inspizieren. Dort, wo sich Regenwasser, Abwässer und Fäkalien von mehr als 2,2 Millionen Haushalten der Region in gigantischen Rohren sammeln, in tiefere Ebenen fließen, wieder hochgepumpt werden, weiterströmen durch ein weit verzweigtes Netz von Tunneln und Röhren - bis schließlich zu den Klärwerken auf Köhlbrand und Dradenau.

Von 1898 stammen die ältesten Leitungen, aktuell baut die Stadt zwischen Helgoländer Allee und Eimsbüttel zwei riesige neue Stammsiele - gut sichtbar durch die Baustelle an den Landungsbrücken. Doch wie sieht es darunter aus? Was für eine Welt erwartet Besucher, wenn sie Männern wie Hoch fast 30 Meter tief unter die Erde folgen, wo sie das Netz pflegen, reparieren, warten? Mehr als 5500 Kilometer sind es insgesamt, die die Hamburger in mehr als 150 Jahren wie Ameisengänge in einem Hügel im Untergrund ihrer Stadt gegraben und gemauert haben.


+++ Die Bilder: Das Abwassersystem Hamburgs +++

Eine steile Eisenleiter geht es hinunter, im Dämmerlicht der Stirnlampen ist ein Rinnsal zu erkennen, es plätschert leise, als Hoch und sein Besucher mit Gummistiefeln durch die Röhre stapfen. Etwas streng, feucht, modrig riecht es. Aber kein Gestank. Hoch grinst: "Ein Klempner ist da schon direkter dran", sagt er. Doch hier unten vermengen sich Fäkalien eben mit vielen, vielen Litern Abwasser. Vor dem Großen Brand von 1842 war das noch anders, die Abwässer flossen da in Hamburg in Fleete und Flüsse - auch der Wasserbedarf wurde daraus gedeckt. Gegen anfängliche Widerstände plante der Ingenieur William Lindley den Aufbau einer modernen Abwasserent- und Trinkwasserversorgung für die Stadt. Eine Aufgabe, die niemals abgeschlossen ist.