Der 80 Jahre alte Hamburger Sieghardt Quitsch entwarf als Student 1956 die Bahnen, die man heute in ganz Deutschland findet.

Hamburg. Minigolf ist wie das Leben. Zunächst sieht es kinderleicht aus, wird dann aber immer komplizierter. Wenn man gewinnt, genügt es einem nicht, wenn man verliert, will man es ums Verrecken nicht glauben. Und auch wenn es so scheint: Minigolf ist - wie alles, sobald man es nur gründlich genug betreibt - kein Spaß. Denn Minigolf kann zum Kleinkrieg eskalieren, gegen das Ego, das Sein und die Kräfte des Kosmos. Man kämpft gegen andere, doch letztlich immer gegen sich selbst. Das kann bescheiden machen oder wahnsinnig. Philosophen wie Nietzsche und Schopenhauer hätten die Duelle geliebt; Becketts "Warten auf Godot" könnte man wunderbar an der Netz-Bahn inszenieren, wo sich zuverlässig absurde Dramen abspielen. Minigolf ist nichts für schwache Nerven.

Ganz so drastisch sieht Sieghardt Quitsch das nicht. Aber für ihn gilt die Maxime: Ein Leben ohne Minigolf wäre theoretisch zwar denkbar, aber praktisch unmöglich. Quitsch ist sehr rüstige 80 Jahre jung, man kennt ihn in der Hamburger Minigolf-Szene und weit darüber hinaus. Ohne ihn würde alles anders sein, denn Quitsch hat 1956, als junger Grafikstudent an der Hochschule für bildende Künste, jene Bahnen entworfen, auf denen seitdem landauf, landab gespielt wird. Eine transportable Minigolfanlage sollte entwickelt werden. Eine Möglichkeit, diese Mischung aus Golf und Geschicklichkeitsprüfung als Sport für jedermann zu ermöglichen.

+++ Die Minigolf-Historie +++

Der Prototyp, der in Planten un Blomen aufgebaut wurde, war so etwas wie die Norm-Mutter aller deutschen Bahnen, eine ähnliche Anlage ist heute noch im Hammer Park in Betrieb. Im Rahmen des in seiner Sportart Möglichen ist er mit dieser Auftragsarbeit für den Hamburger Unternehmer Rolf-Albert Pless berühmt geworden. Quitschs Lohn: "Ein warmer Händedruck, ich hab dafür keinen Pfennig gesehen." Dafür hat ihn der Assbahn-Virus erwischt und ein Leben lang nicht mehr losgelassen. Assbahnen sind Bahnen, die man mit einem Schlag schaffen kann. Die Betonung liegt dabei auf "kann".

Auf dem Platz des Niendorfer MC - sein Vereinsplatz vom SV Lurup wurde wegen eines Einkaufszentrums abgerissen und soll Anfang Juli wiedereröffnet werden - wird Quitsch mit viel Respekt von den Gleichgesinnten begrüßt, die sich zum Training eingefunden haben. Training scheint eine gesunde Mischung aus etwas Schlagen und viel Klönen zu sein, ein Schoßhündchen wird behutsam auf seiner Decke geparkt. Die Anspannung spielt sich hier vor allem im Inneren der Spieler ab. Die einzigen Geräusche neben dem Rauschen der Bäume sind hier und da ein "Plopp".

Quitsch ist seit etlichen Jahren Erster Vorsitzender des Hamburger Bahnengolfverbands, der "Godfather of Minigolf", seit 1964 ein leidenschaftlicher Verbandsfunktionär, der vor lauter Funktionärsarbeit schon lange nicht mehr zum eigenen Spiel gekommen ist, aber dennoch gekonnt seine Bälle versenkt. Er war unter anderem Nationaltrainer von Seniorenkadern, seine Notizmappe ist gepflastert mit Erinnerungs-Aufklebern von Turnieren. Das Minigolf-Deutschland der Bundesliga kennt Quitsch in- und auswendig, Turnierreisen brachten den seit 1997 pensionierten Setzer und Drucker bis nach Malta und Tschechien. Mittlerweile ist Minigolf wie Rugby ganz offiziell eine nicht-olympische Sportart, was ganz gut klingt, aber letztlich ein kleiner Trost ist.

Dabei kennt jeder Minigolf. Jeder hat sich irgendwann dem Spaß hingegeben, einem Ball hinterherzufluchen, während er die Ideallinie zum seligmachenden Treffer ganz knapp verfehlt; Generationen von Teenagern haben mit Schummelnlassen beim Aufschreiben und Ablegen und dem Spendieren von Trostpreis-Eis zueinandergefunden. Minigolf ist Teil der bundesrepublikanischen DNA. Es gehört dazu wie Hitzefrei und "Draußen nur Kännchen".

Das Spiel an sich ist unglaublich populär. Gerade erst hat Campino, der Sänger der Konsenspunk-Band Die Toten Hosen, in einem Interview verraten: "Ich bin großer Minigolf- und Krocket-Fan, ich mag alles, was im Kleingarten stattfinden kann." Der Sport dagegen ist trotzdem, man muss es so deutlich sagen, ein Niemand. TV-Versuche scheiterten, obwohl es einmal eine legendäre Szene gab, 1973, da gelang einem Minigolfer im ZDF-"Sportstudio" das Kunststück, eine Kamera zu treffen. Kameras für Nahaufnahmen direkt neben der Bahn vertragen sich auch nicht besonders gut mit dem Erfolgsdruck und der dafür notwendigen Konzentration. Sponsoren sind - bis auf eine Eisfirma für den Bundesverband - Mangelware. Kein deutscher Minigolf-Sportler kann von seinem Talent leben.

Den Deutschen an sich gab es früher als das Minigolf, doch beide passen in ihrer Mentalität bestens zueinander. In der kleinen Welt des Minigolf sind neben den Schweden, die es schon 1932 als Sport anerkannten, vor allem die Deutschen führend. Sie haben Ordnung in dieses Freizeitvergnügen gebracht, haben es, mitleidiges Lächeln der anderen ignorierend, geformt und genormt. Minigolf hat den Ruf, der Jägerzaun unter den Sportarten zu sein, schrebergärtnerisch, kleinbürgerlich, gestrig. Alles völlig falsch, natürlich.

Die Verständnisprobleme werden dadurch nicht kleiner, dass Minigolf eigentlich Bahnengolf heißt, Minigolf ist nur eine von mehreren Spielarten. Das hat irgendwie mit Bahnsystemen zu tun und ist noch komplexer, als man genau wissen möchte, wenn man nicht gerade Bahnengolf-Funktionär ist. Der Minigolfer-Gruß lautet "Gut Schlag", man hat Regeln, wirklich sehr viele Regeln, das eng bedruckte Regelheft wirkt wie ein kleines Strafgesetzbuch und ist auch so formuliert. Kein Wunder also, dass die Frage, ob Minigolf ein Sport sei oder nicht, sogar Gerichte beschäftigte: "Das Kleingolf-Spiel ist kein Sport, da den Benutzern der Minigolf-Anlage in der Regel der ernsthafte Wille fehlt, sich planmäßig körperlich zu bewegen und dabei ernsthafte Schwierigkeiten sowie auch Ermüdungserscheinungen zu überwinden", befand das OLG Schleswig 1960, weil es um das Zahlen von Vergnügungssteuer ging. 1969 war die Sache geklärt, seitdem ist Minigolf eine vom Deutschen Sportbund anerkannte Sportart. 1991 fand in Oslo die erste WM statt.

Wenn Bundesliga-Mannschaften gegeneinander antreten, geht es bei den errechneten Ergebnissen der Einzel- und Mannschafts-Bahnrunden um zwei oder gar drei Stellen hinter dem Komma, sagt Quitsch. Dopingkontrollen? Aber sicher. Ein Bier beim Wettkampf wäre Doping, ein alkohlfreies auch. Man beschäftigt Schiedsrichter, Oberschiedsrichter und Schiedsgerichte. Es gibt sogar so etwas wie einen FC Bayern in der Bundesliga, einen Verein, der ständig alles abräumt und deswegen nicht gänzlich beliebt ist: Hardenberg, Nordrhein-Westfalen. Dafür kann Hamburg mit den mehrfachen Weltmeistern Gaby Rahmlow und Martin Stöckle zwei Spieler bieten, die als Vertreter der Minigolf-Weltmacht Deutschland seit Jahren gefürchtet gut sind. Hamburg hat etwa 30 Bahnen, sechs davon sind Vereinsbahnen, zwei Mannschaften spielen in der Zweiten Bundesliga. Rund 240 Mitglieder spielen in den sieben Vereinen, bundesweit sind etwa 12 000 Mitglieder organisiert.

Tricksen ist in dieser nur oberflächlich simplen Sportart ein Ding der Unmöglichkeit, denn die Wahrheit ist auf dem Platz. Immer. "Als Stümper und Laie können sie gerne schummeln", sagt Quitsch mit strengem Ton, "aber als Minigolfsportler werden Sie dafür sofort disqualifiziert." Ab 45 ist man "Senior Altersklasse 1", ab 58 "Altersklasse 2", eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht. Aber die rückenschonende Erlaubnis, einen Saugnapf am Griffende anzubringen, um sich das Bücken nach Bällen zu ersparen.

Golf und Minigolf, das sind zwei Welten, die nur sehr bedingt miteinander zu tun haben. Man habe sich in den 1980ern einmal mit Hamburger "Großgolfern" zu einem Kräftemessen auf deren Terrain verabredet, erinnert sich Quitsch. Beim Abschlagen hätten die anderen die Nase vorn gehabt, beim Präzisionsschlagen auf den Greens dagegen, da zeigten die Minigolfer als Meister der kurzen Wege, was Sache ist. Klubmitgliedschaften und das ganze Accessoire-Drumherum sind sehr viel günstiger als bei den "Großgolfern".

Minigolf ist, weil es so standesdünkelfrei ist, so basisdemokratisch wie ein Grünen-Parteitag. Aufnahmeprüfungen sind hier nicht notwendig. Dafür bietet man, wie bei jeder Herzensangelegenheit, eine nach oben offene Skala von liebenswürdigem Wahnsinn. Denn das Manko, eigentlich nur einen einzigen Schläger zu verwenden (sieht man von der "Patsche" für Weitschläge auf Betonbahnen ab), gleichen Minigolfer mit ihren ausufernden Ballsammlungen aus.

Für so ziemlich jede Lebens- und Wetterlage auf jeder Bahn kann man zum theoretisch passenden Ball greifen. Manche sind springfaul, also "tot", andere rau oder heißen, warum auch immer, "Roter Hai". Der richtige Ball klebt am Metall des Salto-Loopings, der falsche plumpst einfach nach unten. Für Turniere entstehen Sondereditionen, die zu Sammlerstücken werden, Titelgewinner werden namentlich auf ihnen verewigt. 3000 Bälle, schätzt Quitsch, gibt es weltweit, "tut nicht not, hat auch keiner". Mit 50 kommt man als guter Sportler ordentlich über die Runden, "Anfänger würden mit zehn bis 15 auskommen, Bundesliga-Spieler haben um die 100 bis 150". Man kann diese Bälle - Einzelpreis um 15 Euro - in Spezialkoffern heizen oder kühlen, man kann sie aber auch in Babysocken lagern oder unter der Achsel, bis sie wohltemperiert sind. Minigolf-Damen zweckentfremden gern das eigene Dekolletee als schnellen Brüter. Zum Überwintern kommen sie in Eierpappe oder Schaumstoff, dann halten sie ein ganzes Minigolfer-Leben.

Platz-Regen? Ganz heikles Thema, dann muss bei der Ballauswahl komplett umgedacht werden. Ernsthafte Minigolfer erkennt man schon von Weitem an den praktischen Putzwedel-Stäben. Ideale Bahnreiniger sind das, irgendwas liegt ja immer herum, was man, je nach Punktekonto, schwungvoll oder wütend wegwedeln kann. Andere arbeiten mit kleinen Psychotricks. Vielsagende Blicke sind in entscheidenden Turniersituationen sehr beliebt. Einer der schlimmsten Anfängerfehler? "Ungeduld", sagt Herr Quitsch.

Bei allem Nervenkitzel und aller rechtschaffenen Verbissenheit, wenn es um den Platz auf dem Siegerpodest geht, hat der deutsche Minigolfer aber auch Humor und die Fähigkeit zur poetischen Selbstironie. Im "Schatzkästlein deutscher Minigolf-Lyrik" findet sich eine hinreißende Variation von Goethes "Erlkönig"-Ballade. "Wer schreitet so früh über Pisten und Bahnen? / Es ist der Golfer, das war wohl zu ahnen." Der dramatische Höhepunkt: "Dann rollt er auf ganz krummen Wegen - man glaubt es kaum - dem Ziel entgegen / erreicht das Loch mit Müh und Not / Ein As, wie peinlich, selbst der Ball wird rot."

Nach dem Ende der Platzrunde, von Mücken zerstochen, philosophiert auch Quitsch auf der Holzbank neben dem Platzhäuschen: "Minigolf ist keine Sportart, die Action bietet." Und außerdem: "Die Schweden sind weitaus ernster bei der Sache als wir."

Mit Sieghardt Quitsch auf dem Minigolf-Platz des Niendorfer MC: Sehen Sie hier ein Video