Neugier, Tatkraft und ein wenig Demut könnten in der Euro-Krise helfen

Wer als Deutscher das erste Mal nach Seoul fährt, wird seinen Augen zunächst kaum glauben wollen. 9000 Kilometer von der Heimat entfernt steht eine hierzulande eher unbekannte asiatische Metropole, in der nicht ein oder zwei, sondern mehrere Hundert Wolkenkratzer das Bild bestimmen. Moderne bunt beleuchtete Bürotürme, gigantische Hotelkomplexe und graue Betonkästen mit Wohnungen auf mindestens 30 Stockwerken prägen das Bild der südkoreanischen Hauptstadt. Der Europäer hält den Atem an, blickt mehr nach oben als auf seine eigen Füße, wenn er durch das Lichtermeer dieser asiatischen Großstadt geht. Vor gerade einmal 40 Jahren war Südkorea noch ein Agrarland auf dem Wirtschaftsniveau armer afrikanischer Staaten. Heute kommt man in eine Hightech-Metropole mit einem exzellenten Bildungssystem, dem fünftgrößten Containerhafen der Welt und den Hauptsitzen internationaler Konzerne wie Samsung, LG oder Hyundai.

Die 40-köpfige Hamburger Wirtschaftsdelegation, die in den vergangenen zehn Tagen in Asien unterwegs war, konnte sich nicht nur von der ökonomischen Kraft Südkoreas überzeugen. In Seoul, aber auch im chinesischen Shanghai und in den japanischen Städten Tokio und Osaka trafen die Manager und Wissenschaftler unter Leitung von Wirtschaftssenator Frank Horch zudem auf besondere Menschen: wissbegierig, freundlich und zugleich mit einer Portion Demut ohne den Hang zur Unterwürfigkeit versehen. Attribute, die man in Deutschland selten findet.

Die Hamburger Gäste wurden nicht nur hofiert, man bot ihnen engste Kooperationen in Wirtschaft und Wissenschaft an. Die Asiaten möchten lernen von den Besuchern mit den langen Nasen. Immer mit dem Ziel, selbst noch besser zu werden. Auf diesem Weg hilft ihnen die ungebrochene Lust auf neue Technologien. Alles wird ausprobiert, nichts als unmöglich angesehen. Diese Neugier hat Asien Wachstum und Wohlstand beschert. Arroganz seitens der Europäer ist längst nicht mehr angebracht. In einem atemberaubenden Tempo hat sich Nordostasien zu einer der prosperierendsten Regionen weltweit entwickelt. Und zumindest in Südkorea und China ist ein Ende dieses Aufschwungs noch lange nicht in Sicht.

In Westeuropa regiert dagegen der Stillstand. Die Euro-Krise lähmt eine Region, die bereits mit Technikfeindlichkeit, Bürokratie und national unterschiedlichsten Interessen zu kämpfen hat. Dabei sollte der Blick auf die große Weltkarte das kleine Westeuropa ein wenig demütiger und aktiver werden lassen. Berlin und Paris sind nicht die Mittelpunkte der Erde. Ein winziges Stück Welt muss aufpassen, dass es von anderen Regionen ökonomisch nicht auf den Standstreifen verbannt wird.

Hamburg tut deshalb gut daran, sich in Nordostasien aktiv nach Wirtschaftspartnern umzuschauen. Miteinander reden, gemeinsam forschen, gegenseitig ökonomisch befruchten. Mit diesem Auftrag war die Delegation von Hamburg aus gestartet - und sie hat ihn mehr als erfüllt. Es wurden nicht nur neue Firmen an die Elbe gelockt, Kooperationen und Partnerschaften gefestigt und politische Kontakte gepflegt. Hamburgs Gäste haben auch viel gelernt, ihren Horizont erweitert. Und allen ist klar geworden, dass Asien zwar weit weg ist, die Euro-Krise aber selbst dort mit Argusaugen verfolgt wird. Denn die Globalisierung hat alle Kontinente eng miteinander verbunden. Wächst die Wirtschaft in dem einem Teil der Welt langsamer, ist auch der andere Teil der Erde davon betroffen.

Asien hofft auf ein Ende der Euro-Krise - im eigenen Interesse. Die Chancen, dass Europa seine Probleme löst, sind durchaus gegeben. Mit ein wenig asiatischer Neugier, Tatkraft und Demut würde sich dieser Prozess sicherlich beschleunigen lassen.