Der Hamburger Oldtimer-Experte Gerd Cordes will Mittel gegen Korrosion auch auf Schiffen anwenden. Hapag-Lloyd unterstützt erforderliche Tests.

Hamburg. Kein Schimmer dringt aus der Luke. Der Abgrund unter ihr ist tiefschwarz. Eine senkrechte Stahlleiter führt fünf Meter hinab in den Ballastwassertank direkt hinter der Außenhaut des Hapag-Lloyd-Frachters "Chicago Express". Normalerweise soll in den Tank 4 gepumptes Seewasser dafür sorgen, dass der Frachter beim Beladen stabil bleibt und das Gewicht von verbrauchtem Treibstoff ausgeglichen wird. Doch jetzt hat Lars Voss, der als Ingenieur zu Hapag-Lloyds Schiffs-Inspektion gehört, dem Hamburger Rostschutzspezialisten Gerd Cordes den Tank für eine außergewöhnliche Aktion zur Verfügung gestellt. In sechs an den Wänden fest geklemmten Rahmen testet Cordes auf 40 Stahlblechen selbst entwickelte Rostschutzfette gegen Konkurrenzprodukte. Für Cordes ist es der "Endspurt". Er will mit seiner Firma TimeMax expandieren. Das Ziel: Künftig nicht nur Oldtimer-Autos, sondern Schiffssektionen und Ausrüstung an Bord sowie Windkraftanlagen weltweit vor Rost zu schützen.

Den Ballastwassertank, der wie ein Verließ rund 20 Meter bis zum Kiel des Frachters hinunterreicht, hat Cordes mit Bedacht gewählt. In dem Hohlraum für 1400 Tonnen Wasser herrschen je nach Fahrtgebiet Temperaturen zwischen minus fünf und mehr als 40 Grad. Wird der Tank geflutet, kommen die Testbleche unter Wasser. Wird abgepumpt, bleibt das Salz aus dem Meerwasser an ihnen haften. "Damit werden die Platten harten Bedingungen ausgesetzt, unter denen Rost besonders gut blühen kann", sagt Cordes.

Genau das sollen die von ihm entwickelten lösemittelfreien Fette verhindern, die, wie Cordes versichert, in jede Ritze vordringen und so den Stahl vor Feuchtigkeit und Sauerstoff abschirmen. Gelingt der Nachweis, sieht der Erfinder gute Chancen für Aufträge vor allem für die Konservierung kleiner, schwer zugänglicher Räume auf Yachten und Marineschiffen. Auch die Lebensdauer von Windkraftanlagen oder Stahlkabeln, Drahtseilen oder Befestigungsmaterial an Bord sollen die Mittel verlängern, die direkt auf den Rost aufgetragen werden.

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"Rost ist immer noch ein Dauerthema für die Schifffahrt, wenn etwas nicht beschichtet oder verzinkt werden kann", sagt Wolfgang Hintzsche, der als Kapitän beim Verband Deutscher Reeder (VDR) für Nautik, Technik und Schiffssicherheit zuständig ist. Experten rechnen damit, dass durch Korrosion jährlich Schäden von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts entstehen - bundesweit knapp 80 Milliarden Euro.

Begleitet und bewertet werden die Versuche auf der "Chicago Express" vom Hamburger Schiffs-TÜV Germanischer Lloyd. "Wir werden die Ergebnisse bescheinigen, sodass TimeMax den Nachweis dann seinen Kunden zur Verfügung stellen kann", sagt GL-Sprecherin Stefanie Normann. Fällt das Ergebnis wie von ihm erwartet aus, will Cordes mit der internationalen Vermarktung beginnen. Geplant sind Schulungsfilme in englischer Sprache, sodass Besatzungen die Fette künftig selbst auftragen können. "Zudem werden wir dann weitere Mitarbeiter einstellen", sagte Cordes.

Davon geht auch Harald Eifert aus, der Geschäftsführer der städtischen Innovationsstiftung. Sie hat die Firma mit 12 000 Euro aus dem Förderprogramm der Wirtschaftsbehörde bezuschusst. "Das Handwerksunternehmen erschließt sich einen neuen Markt", begründet Eifert die Zahlung. In der Tat laufen bereits weitere Versuche mit Farben für Decks und Aufbauten, die ebenfalls auf Hapag-Lloyd-Frachtern ausprobiert werden. "Wir freuen uns immer, wenn wir Leute unterstützen können, die Innovationen vorbereiten. Das ist bei uns gängige Praxis", sagt Hapag-Lloyd-Flottenchef Richard von Berlepsch zur unentgeltlichen Hilfe für Cordes. Kein Wunder: So wird die Reederei rasch auf neue Erkenntnisse aufmerksam und kann sie selbst nutzen.

Abgesehen von dem städtischen Zuschuss finanziert Cordes seine Versuche bisher über seine Oldtimer-Werkstatt in Wandsbek, mit der er 2011 gut 900 000 Euro Umsatz erzielte. Dort konservieren zehn Monteure derzeit 30 bis 40 Autos aus ganz Europa mit selbst entwickelten Rostschutzmitteln. Als Zentrale hat der Chef in den Räumen der 2004 gegründeten Firma einen Doppeldeckerbus geparkt. Doch seinen Kampf gegen den Rost führt der gelernte Industriemechaniker und studierte Magister in Journalismus schon seit mehr als 25 Jahren. Ausgangspunkt war sein erstes Auto, ein grüner Fiat 850 Spider, den er immer wieder vor dem Verfall bewahrte. Zunächst mit Fett aus dem Abfall seines früheren Arbeitgebers, der damaligen Klöckner Stahlwerke in Bremen. Später begann er mit Rostschutztests an Kaffeedosen und drehte nach seinem Examen sieben Jahre lang freiberuflich Filme für ARD "Ratgeber Technik". "Nebenbei habe ich die ganze Zeit über weiter Rostschutzmittel für Autozeitungen getestet", sagt Cordes. Schließlich steigt er mit der Werkstatt TimeMax in die Wartung und Reparatur von Oldtimern ein.

Jetzt hängt für Cordes vieles davon ab, welche Ergebnisse die Tests an Bord der "Chicago Express" bringen. Immerhin 74 Tage war das Schiff zwischen Hamburg und Fernost unterwegs, bevor es Montagabend in Hamburg einlief. Zwar ist der Test auf zwei Umläufe, also auf ein halbes Jahr, angelegt. Doch Cordes hat schon gestern, nach der Rückkehr nach Hamburg, einen Blick auf seine Stahlplatten im Tank geworfen. "Das Ergebnis war besser als ich erwartet hatte", sagt er. Daher ist er jetzt sicher, dass es mit der Zertifizierung seiner Entwicklung klappen wird.