Eine Glosse von Juliane Kmieciak

Wer bin ich? Eine klassisch heikle Frage. Wenn man sie sich nicht selbst stellt, dann tun es andere. Mein neuer Steuerberater zum Beispiel. Offenbar wollte er genauer wissen, wen er jetzt beraten soll, und warf eine bekannte Suchmaschine im Internet an. Dort fand er ein Video, in dem ich einen Flugsimulator teste, mich ziemlich dämlich dabei anstelle und das mit "geht so"-witzigen Sprüchen kommentiere. Den Online-Tiefflug fand er ziemlich ulkig, sagte er zumindest, und legte eine Tiefflieger-Datei mit meinem Namen an.

Nun war auch ich neugierig geworden auf die Wirkung meines Netz-Ichs und sah selber nach. Gleich auf der ersten Seite bietet ein Dienstleister an, die wichtigsten Eckdaten meines Lebens nennen zu können. Die da wären: Hamburg, Lesen, Telefon, Ottensen. Auf der nächsten Seite kann ich ein Foto von mir (das dort bereits vorliegt) auf die mögliche Ähnlichkeit mit einem Promi testen lassen. Klick. 32 Prozent Ähnlichkeit mit Patrick Lindner. Die anderen 68 Prozent teilen sich mit mir unbekannte bekannte Menschen. Den Lindner habe ich noch nicht verdaut, als ich auf der nächsten Seite lese: "Juliane Kmieciak, Guten Morgen, Glühwein und Bratwurst gibt es an der Großen Bergstraße."

Erst ärgere ich mich über diese komische Formulierung mit meinem Namen drin. Dann beschließe ich, dass das ein wahnsinnig freundlicher und positiver Satz ist. So: Guten Morgen, liebe Hamburger, wendet euch vertrauensvoll an mich, wenn ihr nicht wisst, wo es Bratwurst gibt. Mit diesem "Ich" kann ich ganz gut leben. Es zeigt, dass ich mehr bin als nur eine Tieffliegerin. Wer sich davon überzeugen will: Sie finden mich an der Großen Bergstraße, ich sehe zu 32 Prozent aus wie Patrick Lindner und kaufe Ihnen gerne eine Bratwurst.