Bei der Kirchenfusion gibt Nordelbien einiges ab - nicht selbstverständlich in dieser Zeit

Pfingsten feiern die Christen die Geburt ihrer Kirche. Was lag also näher, als den Geburts-Tag der neuen Nordkirche mit diesem Feiertag zu verbinden? Und der Start ist gelungen. Bei strahlendem Sonnenschein haben 20 000 Menschen in Ratzeburg ein feierliches und fröhliches Gründungsfest gefeiert. Das Motto "Wir setzen Segel" war dabei mit Bedacht gewählt, denn die gemeinsame Kirche ist bei vielen evangelischen Christen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern nicht unumstritten. Teilweise sogar ungeliebt. Trotzdem ist sie richtig. Mehr noch, die Kirchenfusion ist ein historisches Reformprojekt - und ein Signal der Hoffnung.

Zunächst einmal nach außen. Die Vertreter der Nordelbischen, der Mecklenburgischen und der Pommerschen Landeskirche haben etwas geschafft, was weder Kirche noch Politik bislang vermochten. Sie haben auf Augenhöhe verhandelt, in großem Respekt vor der Geschichte und der Mentalität der jeweils anderen und mit Blick auf die gemeinsame Sache. Deshalb ist die Gründung der Nordkirche, die größte Kirchenfusion der Nachkriegsgeschichte, kein Ost-West-Anschluss, sondern fast 23 Jahre nach dem Fall der Mauer ein gelungenes Beispiel für die Wiedervereinigung.

Auch weil ein vermeintlich stärkerer Partner bereit ist, etwas abzugeben. Das ist keineswegs selbstverständlich, auch unter Kirchenleuten nicht, und könnte darum musterhaft für weitere Fusionsprozesse in Deutschland sein. Die Nordkirche ist aber auch ein Signal des Aufbruchs nach innen. Hier haben drei selbstbewusste Partner sich auf einen gemeinsamen Weg der Erneuerung gemacht. Indem sie bereit sind, alte Strukturen und Traditionen zu überdenken - im Wortsinn voneinander zu lernen -, richten sie sich auf die Unwägbarkeiten der Zukunft aus. Sie wagen einen Neuanfang.

All das darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verschmelzung der beiden kleinen Ostkirchen mit der großen Westkirche aus der Not geboren ist. Mitgliederschwund, rückläufige Einnahmen, der demografische Wandel, vor allem aber die dramatisch niedrige Kirchenzugehörigkeit im Nordosten brachten die Einsicht: Drei Landeskirchen sind auf Dauer nicht lebensfähig.

Fast zwölf Jahre wurde verhandelt, viele Kompromisse mussten gemacht werden. So bekommt Schwerin den Sitz des Landesbischofs, das Landeskirchenamt bleibt in Kiel, die historisch bedeutsame Kirchenstadt Lübeck geht nach der neuen Arithmetik leer aus. Weitere Bischofssitze sind künftig Hamburg, Schleswig und Greifswald.

Klar ist auch, dass alle noch mehr sparen müssen. Jede siebte Stelle in der Verwaltung fällt weg. Aus dem reicheren Nordelbien werden 3,9 Prozent der Einnahmen in den Osten transferiert. Das führt zu Unruhe, teilweise zu Unmut. Im Osten gärt die Angst, von dem großen Partner überrannt und der tief verwurzelten Identität als glaubensstarke Minderheitenkirchen beraubt zu werden.

Insofern ist der Gründungstag der Nordkirche ein Beginn. Bislang ist sie vor allem eine Hülle, die jetzt gefüllt werden muss. Das Wir-Gefühl muss wachsen. Dafür braucht es einen gemeinsamen geistlichen Kurs. Erste Ansätze gibt es, aber wie diese neue Großkirche als Ganzes tickt, muss jetzt entwickelt werden. Gleichsam als Gegenpol zu den neuen, entfernten Strukturen. Die Menschen zwischen Helgoland und Usedom wollen vor allem, dass - wie es ein Besucher auf dem Gründungstag es formulierte - der Pastor im Dorf bleibt.

Diesen Spagat zu bewältigen, ist alles andere als einfach. Es funktioniert nur, wenn die Menschen sich begegnen und Verantwortung für die gemeinsame Sache übernehmen. Das Gründungsfest am Pfingstsonntag war ein guter Anfang.