Mit Pfeffer, Zimt und Curry ist die Hamburger Gewürz-Mühle seit 1930 erfolgreich am Markt. Nun setzt das Unternehmen verstärkt auf Bio.

Hamburg. Der Duft des Kardamoms nimmt einem den Atem. Zitronig, fast beißend riechen die tausendfachen grünen Kapseln, die in der ratternden Maschine der Hamburger Gewürz-Mühle verschwinden. Der Duft zieht durch die ganze vibrierende Fabriketage, vermischt sich mit den Aromen von frisch gemahlenen Zimtstangen, Pfefferkörnern, Koriandersamen. So lange, bis eine undefinierbar angenehme Gewürzmischung entsteht.

"Wir nennen das unseren Nestgeruch", sagt Geschäftsführer Holger Schulz schmunzelnd, während er durch die vier Stockwerke seines Betriebs in Rothenburgsort führt. Bis zu 7000 Tonnen an Gewürzen reinigen, mahlen und mischen die 45 Mitarbeiter des Hamburger Familienunternehmens jedes Jahr. Abnehmer sind große Kon-zerne aus der Lebensmittelindustrie wie Ketchuphersteller, Gurkenproduzenten oder Likörhersteller, aber auch Mittelständler, die sich ganz besondere Gewürzmischungen für ihre Pizzen, Steaks oder andere Gerichte wünschen. "Wir verzeichnen seit Jahren ein stetiges Wachstum bei Absatz und Umsatz", sagt Schulz, ohne sich auf genaue Zahlen festlegen zu wollen.

Seit 1930 behauptet sich der Traditionsbetrieb am Markt. Einen großen Teil des Erfolgs machen dabei die langjährigen Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten in aller Welt aus. So ist der Chef gerade von einer Geschäftsreise nach Indien zurückgekehrt, wo er in Mumbai mit Zwischenhändlern über den Ankauf von Pfeffer, Sellerie und Kurkuma verhandelte. Im Bundesstaat Gujarat nahm Schulz die Produktionsbedingungen von Bauern unter die Lupe, die die Hamburger mit Zwiebeln und Knoblauch beliefern. "Gewürze sind nicht genormt wie Schrauben", sagt der Geschäftsführer. "Wir müssen regelmäßig die Anbaubedingungen und die Hygienestandards bei unseren Lieferanten überprüfen."

Dies gilt insbesondere für Bioprodukte, die die Gewürz-Mühle seit einigen Jahren anbietet und die einen immer größeren Anteil am Gesamtumsatz ausmachen. In Rothenburgsort werden diese mit dem staatlichen Biosiegelzertifizierten Gewürze gesondert gelagert und nur auf ganz speziellenMaschinen gemahlen, um eine Vermischung mit der konventionellenWare zu verhindern.

Mindestens so wichtig wie die Beziehungen zu den Lieferanten ist die jahrzehntelange Erfahrung bei der Verarbeitung der empfindlichen Produkte. "Man kann ein Gewürz auch totmahlen", sagt der zweite Geschäftsführer Georg Schulz, der das Unternehmen zusammen mit seinem Neffen leitet. Trotz seiner 80 Jahre kommt der joviale Seniorchef noch immer regelmäßig in den Betrieb und gibt sein Wissen an die Belegschaft weiter.

36 verschiedene Produktionsanlagen für das Reinigen, Schneiden, Mahlen und Mischen gibt es in der Hamburger Gewürz-Mühle. Fenchel schicken die Hanseaten beispielsweise durch eine besonders schonende Kaltvermahlungsanlage, in der die Erhitzung der empfindlichen Samen durch Kühlung mit Kohlendioxid verhindert wird. Zimtstangen müssen hingegen gleich mehrfach gemahlen und gesiebt werden, damit sie sich in das feine Pulver verwandeln, das Verbraucher aus der Küche kennen. Dazu rüttelt und schüttelt sich in der Mühle ein quadratischer Kasten, so als wolle er einen wilden Tanz aufführen. Und für Pfeffer hat sich ein sogenannter Walzenstuhl aus den 50er-Jahren als besonders geeigneterwiesen. Das knallrote Gerät, das eigentlich in Mehlmühlen zum Einsatz kommt, zerquetscht die Körner zwischen zwei Stahlwalzen und soll soeinen Großteil des wertvollen Aromas erhalten.

Eine eigene Abteilung kümmert sich in der Mühle um die Zusammenstellung von Gewürzmischungen, die bei den Hamburgern ebenfalls eine lange Tradition haben. So nimmt Seniorchef Georg Schulz für sich in Anspruch, schon in den 50er-Jahren eine Berlinerin namens Herta Heuwer mit seiner Currymischung beliefert zu haben. Die Dame mixte die Mischung mit Tomatenmark, rührte daraus eine pikante Sauce und gab diese zu ihren Bratwürsten. Seitdem gilt Herta Heuwerzumindest an der Spree als Erfinderin der Currywurst.

Solch ein guter Riecher fürs Geschäft liegt bei den Schulzens offenbar in der Familie. Denn schon der Gründer der Firma, Hermann Schulz, war für seinen kreativen Umgang mit Gewürzen bekannt. Da in den 30er- und 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts heutige Allerweltsgewürze wie Pfeffer nur bedingt ins Deutsche Reich importiert werden konnten, ersann der Patriarch Ersatzmischungen aus Paprika. Kuchengewürze gewann er aus den Resten der Rübenzuckerproduktion.

Solche drastischen Engpässe gibt es heute zwar nicht mehr, doch auch die Nachfahren des Firmengründers haben ab und an noch mit einer Verknappung ihrer Ware zu kämpfen. "Es gibt branchenfremde Spekulanten, die ganz gezielt große Mengen an Gewürzen aufkaufen, um die Preise in die Höhe zu treiben", sagt Georg Schulz und wird dabei richtig ärgerlich. "Das erschwert unsere Arbeit ganz erheblich."

So verdreifachte sich vor zwei Jahren etwa der Preis von Kardamom, weil Spekulanten aus dem Nahen Osten einen Großteil der indischen Ernte übernahmen. Zuvor ächzten die Hamburger unter einer "Muskatnuss-Hausse", weil ein Hurrikan fast die gesamte Ernte in der wichtigen Anbauregion Grenada zerstörte.

"Generell gehen die Einkaufspreise für viele Gewürze immer weiter nach oben, weil der Verbrauch in den Ursprungsländern zunimmt", sagt Holger Schulz. "Mit einem wachsenden Lebensstandard können sich die Menschen in Indien, Indonesien oder anderen asiatischen Ländern auch immer mehr leisten."

Doch trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen kommen die Hamburger weiterhin gut zurecht. Seniorchef Georg Schulz findet es daher auch nicht schlimm, wenn er ab und an als "echter Hamburger Pfeffersack" bezeichnet wird. "Irgendwie stimmt die Bezeichnung ja", sagt er selbstironisch. "Obwohl - ganz so reich sind wir nun wirklich nicht."