Ex-Vorstände eines börsennotierten Unternehmens wegen schweren Anlagebetrugs vor Gericht - Kunden um 65 Millionen Euro geprellt.

Neustadt. Unter Galeristen genoss Tarik Y., einst Vorstandsvorsitzender der börsennotierten EECH-Gruppe, zeitweise den Ruf eines kunstverrückten Lebemanns. Der joviale Mann mit der Fönfrisur agierte so, wie man es sich von einem risikofreudigen Mäzen mit dicker Brieftasche erhoffte: Er kaufte, kaufte, kaufte. Pop-Art von Robert Rauschenberg und Tom Wesselmann, Bilder von Georg Baselitz und Zeichnungen von Markus Lüpertz.

In Windeseile hatte der Geschäftsmann - angeblich zum Preis von 25 Millionen Euro - eine formidable Kunstsammlung zusammengetragen, die offenbar als Basis für ein ganz neues Kapitalanlagemodell dienen sollte. Unter dem Namen "Art Invest" brachte die EECH-Gruppe mit Firmensitz an den Alsterterrassen 2006 die erste deutsche Kunstanleihe auf den Markt. Durch die Wertsteigerung der Kunstwerke, so der Plan, sollten Anleger pro Jahr Renditen von bis zu 8,85 Prozent einheimsen.

Das Problem: Gemeinsam mit seinem Kompagnon Michael B. soll Tarik Y. das Kapital Tausender Kleinanleger für den Erwerb der Kunstwerke zweckentfremdet haben. Als die EECH-Gruppe 2008 in die Insolvenz rasselte, war auch ihr Geld futsch - aus 7100 Anlegern wurden 7100 Gläubiger.

Das Finanzfiasko hat nun ein strafrechtliches Nachspiel für die Strippenzieher: Tarik Y., 53, und der ehemalige Vorstand Unternehmensentwicklung, Michael B., 50, sind seit gestern vor dem Landgericht wegen schweren Anlagebetrugs angeklagt. Es geht um zwei "faule Anleihen", die sie herausgegeben haben sollen, und um einen Gesamtschaden in Höhe von 65 Millionen Euro. Gemeinsam sollen sie, so die Anklage, einen "Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeigeführt haben".

Es ist kaum zu sagen, wie es an diesem ersten Verhandlungstag in Michael B. und Tarik Y. aussieht. Sie sitzen da, recht steif in ihren feinen Anzügen, die Augen geradeaus. Sie haben schon eine ganze Reihe zivilrechtlicher Verfahren hinter sich, in denen es vor allem um die Sicherung von Schadenersatzansprüchen der Gläubiger ging. Doch nun droht ihnen Gefängnis. Bis zu zehn Jahre sieht der Gesetzgeber für schweren Betrug vor. Möglicherweise werden sich die beiden Geschäftsleute beim nächsten Termin (13. Juni) zur Sache äußern.

Offenbar wurden Anleger vor allem auch mit üppigen Zinsen für Kapitalanlagen im Bereich der erneuerbaren Energien geködert. Die EECH-Gruppe versprach, den vereinnahmten Erlös in aussichtsreiche Solarenergie- und Windkraftprojekte zu investieren - doch tatsächlich kam dort laut Staatsanwaltschaft nur ein Bruchteil der Summe an. So sammelte die EECH-Gruppe 2004 nach Emission ihrer "Anleihe Solar" rund 50 Millionen Euro ein, doch nur rund drei Millionen Euro flossen tatsächlich in die beworbenen Solarenergieprojekte. Den Großteil der Summe sollen Tarik Y. und Michael B. aber "zweckwidrig" verwendet haben.

So sollen sie laut Staatsanwaltschaft ohne Wissen der Käufer mit dem Geld konzerneigene Schulden ausgeglichen und fällige Zinsen anderer Anleihen gezahlt haben. Besonderer Zuwendung bedurfte offenbar auch der Geschäftsbereich Kunst. Allein für den Erwerb von Kunstgegenständen sollen 17 Millionen Euro abgezweigt worden sein - das Geld der Anleger landete also genau dort, wo es nicht hingehörte.

Noch im selben Jahr brachte die EECH-Gruppe die "Euro Anleihe Zukunftsmarkt Windkraft Italien" auf den Markt. Erneut sollen die Angeklagten die Anleger laut Staatsanwaltschaft getäuscht haben - indem sie ihnen für mehrere Unternehmensbeteiligungen einen deutlich höheren Anschaffungswert vorgaukelten. 1786 (Klein-)Anleger erwarben darauf Schuldverschreibungen im Wert von 15 Millionen Euro.

Die mutmaßlich illegale Jonglage mit dem Anlagekapital diente nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht nur der Sanierung des schwächelnden Konzerns, sondern mehrte auch das Vermögen der beiden Angeklagten. "Beide erlangten so erhebliche Vorteile", sagt die Staatsanwältin. Von 2004 bis 2006 soll sich Tarik Y. durch die faulen Kapitalanlagen rund zwei Millionen Euro an Gehalt und Tantiemen in die eigene Tasche gesteckt haben. Für Michael B. weist die Anklage einen Vermögensvorteil von rund 210 000 Euro aus.

Die geprellten Anleger kämpfen noch immer um ihr Geld. Dabei war die EECH-Gruppe auf dem grauen Kapitalmarkt bekannt, stand schon seit 2005 auf dem Index brancheninterner Informationsdienste. 2007, also bevor der Konzern pleiteging, erwirkten nach Urteilen des Hamburger Landgerichts etliche Anleger vorläufig vollstreckbare Titel über 1,5 Millionen Euro - doch kaum jemand erhielt auch nur einen Cent zurück. "Viele Kleinanleger haben geglaubt, dass sie ihr Geld voll zurückerhalten", sagt Anwalt Matthias Gröpper, der viele EECH-Gläubiger vertritt. Sie haben sich offenbar getäuscht.