Jan Hoff ist Mentor - und kümmert sich liebevoll um den zwölf Jahre alten Paul. Gefunden haben sie sich über Big Brothers Big Sisters.

Winterhude. Zum sechsten Mal bleibt der kleine Ball am Hindernis hängen. "Ooooohh, eine Runde Mitleid für Jan", ruft Paul an Bahn acht breit grinsend über die Minigolfanlage im Stadtpark. Der Zwölfjährige liebt es, den 36 Jahre alten Jan Hoff zu necken. Obwohl es auch Paul an kaum einer der Bahnen schafft, den Ball mit den erlaubten sechs Schlägen einzulochen, hat er sichtlich Spaß. Denn Paul trifft heute seinen Freund, seinen "Big Brother". Seit etwas mehr als einem Jahr kennen sich Paul und Jan nun schon. Sie sind ein sogenanntes Tandem von Big Brothers Big Sisters, einem Mentoring-Programm zur individuellen Förderung von Kindern und Jugendlichen in komplizierten Lebenssituationen.

Ein Jahr lang treffen sich die Kinder zwischen sechs und 16 Jahren mit ihrem erwachsenen Mentor alle ein bis zwei Wochen für gemeinsame Aktivitäten. Die Jungen mit einem "großen Bruder", die Mädchen mit einer "großen Schwester". Nach Ablauf des Jahres kann das Programm verlängert werden.

Paul und Jan haben ihren "Vertrag" vor wenigen Wochen verlängert. "Die beiden haben sich gesucht und gefunden", sagt Olga Wolter, Mentoring-Beraterin bei Big Brothers Big Sisters. Das spendenfinanzierte Programm aus den USA hat 2009 einen Standort in Hamburg eröffnet. Seitdem haben sich hier mehr als 200 Tandems gefunden. Die Idee: Ehrenamtliche Mentoren schenken Kindern als Vorbilder, Mutmacher und Ansprechpartner Zeit und Aufmerksamkeit. Sie unterstützen sie in ihrer Entwicklung und helfen ihnen, ihr Potenzial auszuschöpfen. Die meisten Kinder kommen aus Familien mit alleinerziehenden Eltern.

Paul aus Barmbek war fünf Jahre alt, als seine Eltern sich trennten. "Die Scheidung hat er gut verkraftet, aber ihm fehlte seitdem ein männliches Vorbild", sagt Pauls Mutter. Seinen Vater, der in den USA lebt, sieht der Schüler nur zweimal im Jahr. Durch Zufall erfuhr seine Mutter von dem Programm und meldete ihn an - mit gewissen Bedenken. "Es war schon ein komisches Gefühl, Paul in die Hände eines Mannes zu geben, den ich nicht wirklich kannte. Aber die Bedenken haben sich schnell gelegt. Jan ist der perfekte Mentor", sagt die Mutter.

Potenzielle Mentoren müssen bei Big Brothers Big Sisters ein sorgfältiges Bewerbungsverfahren durchlaufen. Drei Personen aus dem direkten Umfeld des Bewerbers werden befragt, Führungszeugnisse eingeholt, dann erst der Mentor gesprochen. Schließlich werden die Bewerber in einem Workshop auf die Aufgabe vorbereitet. Vor allem die Motivation wird überprüft, um Enttäuschungen zu vermeiden.

"Ich hatte keine exakte Vorstellung, was mich erwartet. Aber ich wollte mich mal anders als in Form einer Geldspende engagieren", erzählt Jan Hoff. Der Betriebswirt war schnell begeistert. "Es hat sofort gepassst und funktioniert fantastisch", sagt Jan. Vier Stunden pro Woche nimmt er sich Zeit für Paul. Dann gehen sie ins Kino, spielen Fußball oder Basketball, laufen Schlittschuh in der Eishalle oder bauen auch mal einen Staudamm in der Wandse. Beim Minigolfen sind sie heute Gegner. Paul und Jan mögen es, sich zu provozieren. "Du spielst aber heute unkonzentriert", sagt Jan. "Dir werde ich es zeigen", anwortet Paul. Er albert gern rum, aber seit er seinen Mentor Jan kennt, ist er selbstbewusster und diplomatischer geworden. "Er traut sich viel mehr zu", sagt Jan, dem seine Verantwortung bewusst ist. "Paul hat großes Vertrauen in mich und akzeptiert mich als großen Bruder." Jan versteht sich aber keinesfalls als Erzieher oder Vaterersatz. Das soll er auch nicht sein. Für Paul ist er ein Freund geworden. Ein Mann, dem er Dinge erzählt, die er mit seiner Mutter nicht besprechen kann. "Ich will ihm vor allem Zeit schenken und zur Seite stehen", sagt Jan. Mit 16 läuft das Programm für Paul aus, doch sein Mentor will sich dann keinen neuen kleinen Bruder suchen. "Ich werde Paul als Bruder behalten und werde ihn gerne noch 20 Jahre begleiten und in Lebensfragen beraten."

Paul hat mit seinem Mentor einen Glücksgriff gelandet. Viele andere Jungen warten dagegen noch auf ihren "großen Bruder". Allein in Hamburg stehen 100 Kinder auf der Warteliste des Programms. "Uns fehlen vor allem Männer", berichtet Olga Wolter. Frauen würden sich häufiger für die gemeinnützige Organisation interessieren. Jan wirbt bereits eifrig in seinem Freundes- und Verwandtenkreis, aber die Suche ist schwierig. "Die meisten haben keine Lust. Andere haben Lust, aber zu wenig Zeit", sagt Jan. Als Selbstständiger kann der Unternehmer aus Uhlenhorst sich seine Zeit einteilen. "Das ist wichtig, denn ich möchte für Paul immer greifbar sein." Regelmäßig ruft der Junge seinen Mentor an, um ihm von seinem Alltag zu berichten. "Wir haben ein sehr vertrautes Verhältnis", sagt Jan, der in einigen Monaten erstmals Vater wird.

Weitere Infos hamburg.bbbs.org