Ein Kommentar von Matthias Gretzschel

Der Generationswechsel vollzieht sich in einem langsamen Prozess, doch irgendwann ist er abgeschlossen. Irgendwann sind die Menschen, die NS-Zeit und Krieg noch bewusst miterlebt haben, nicht mehr unter uns.

Mit dem Historiker Arno Lustiger, der am Mittwoch starb, ist wieder ein wichtiger Zeuge des unheilvollen 20. Jahrhunderts verstummt.

Gewiss können wir uns über Geschichte mithilfe von Büchern und Filmen informieren, aber die authentische Erfahrung von Menschen ist trotzdem durch nichts zu ersetzen. Nur durch ihr Zeugnis wird das historische Geschehen konkret, nachfühlbar, verständlich. Die Chance, Fragen zu stellen und Geschichte damit ganz unmittelbar in den Horizont der eigenen Lebenswirklichkeit zu bringen, bietet nur das Gespräch mit Menschen, die dabei waren. Wir sollten die Zeit nutzen und den Dialog mit jenen suchen, die uns historische Erfahrung voraushaben.

Das müssen nicht unbedingt prominente Persönlichkeiten sein, das generationsübergreifende Gespräch kann sich auch ganz unspektakulär im Alltag ergeben, in Familien, Vereinen oder Kirchengemeinden.

Der amerikanische Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, der selbst Überlebender des Holocaust ist, hat das einmal so formuliert: "Wer Zeitzeugen zuhört, der wird selbst zu einem."