Sieger Hollande muss sich mit Realität und Merkel arrangieren

Frankreich - das ist natürlich das Land der Mode und der 1000 Käsesorten, aber auch jener Staat, dessen Präsident die stärkste innenpolitische Stellung unter allen demokratisch gewählten Regierungschefs der Welt hat. Nicht einmal der US-Präsident kann derart souverän handeln. Für die nächsten fünf Jahre mindestens wird diese Position also der Sozialist François Hollande einnehmen, dessen Programm für manchen Betroffenen im In- und Ausland wie eine eiskalte Dusche wirkt. So wird es Washington kaum freuen, wenn Hollande schon dieses Jahr seine Truppen aus Afghanistan abzieht. Die Wohlhabenden in Frankreich grausen sich angesichts der angedrohten 75-prozentigen Einkommenssteuer. Und die deutsche Kanzlerin muss sich wappnen, da Hollande den mühsam geknüpften Fiskalpakt aufribbeln und die umstrittenen Euro-Bonds einführen will.

Nun ist François Hollande weder ein Dummkopf noch ein Hasardeur, er weiß um die Bedeutung des deutsch-französischen Motors für Europa und auch dass Deutschland derzeit sehr viel vitaler daherkommt als Frankreich. Und er weiß, dass die Franzosen weniger ihn gewählt als Sarkozy abgewählt haben, der auch mitten in der Krise nicht davon lassen konnte, sich als Hybrid aus Rumpelstilzchen und Sonnenkönig aufzuführen.

Dass künftig ein Sozialist im Élysée-Palast sitzt, muss für Deutschland noch kein Nachteil sein. Gerade Politiker mit unterschiedlichen Feldpostnummern haben oft exzellent kooperiert - man denke nur an den Sozialisten Mitterrand und den Christdemokraten Kohl. Oder den Sozialdemokraten Schmidt und den Liberalkonservativen Giscard.

Ein Präsident Hollande wird sich - auch mit Angela Merkel - arrangieren, seine Politik der harten Realität anpassen müssen. Sein Vorhaben etwa, erst einmal 150 000 Stellen im öffentlichen Dienst zu schaffen und das Renteneintrittsalter wieder auf 60 Jahre zu senken, wirken nicht eben wie eine Adrenalinspritze für die matte französische Wirtschaft. Frankreich und dem deutsch-französischen Verhältnis stehen keine Katastrophe, aber eine Phase der Neuorientierung bevor.