Londoner Verkehrsexperte: Bürgerbeteiligung kann wichtige Entscheidungen in Städten blockieren

Hamburg. Bürgerbeteiligung kann wichtige strategische Entscheidungen einer Stadt auch blockieren. Das sagt der Londoner Professor Philipp Rode (London School of Economics). Grund dafür sei, dass sich an Planungsprozessen meist nur diejenigen beteiligen, die sich negativ betroffen empfinden. "Das deckt sich mit vielen unserer Untersuchungen", sagte der Verkehrswissenschaftler im Gespräch mit dem Abendblatt. Dahinter verberge sich ein einfaches psychologisches Prinzip. "Verlust wird stärker empfunden als ein möglicher Zugewinn." Allgemein gebe es eher "eine Tendenz zum Bewahren", so Rode. Verstärkt werde diese dadurch, dass die Gesellschaft älter werde und sich vor allem Menschen beteiligen, "die schlicht Zeit dafür haben". Nicht selten nehme das bürgerliche Engagement für sie die Form eines Jobersatzes ein.

Rode plädiert daher für mehr "Experimente und Feldversuche" in der Stadt- und Verkehrsplanung - damit Vorhaben auf breitere Akzeptanz stoßen. Manchmal aber bedürfe es auch einer charismatischen Führungspersönlichkeit und modernen Verwaltung, um strategische Vorhaben voranzubringen. Die Hauptstadt Kolumbiens Bogotá sei dafür ein Beispiel: Der Bürgermeister dort habe gegen viele Widerstände ein hoch effektives Schnellbussystem mit eigenen Spuren auf den Weg gebracht, das den früheren "Verkehrsmoloch" positiv verändert habe - und mittlerweile von 160 Städten weltweit übernommen wurde. Und auch in London habe es vor der Einführung der City-Maut breite Ablehnung gegeben. "Jetzt sind 80 Prozent der Bevölkerung überzeugt, dass es ein Segen für die Londoner City ist." Stockholm habe seine City-Maut indes zunächst im Feldversuch sechs Monate lang getestet und dann bei einer Abstimmung eine breite Mehrheit für die Einführung bekommen. Ohne Test wäre das bei einer Bürgerbeteiligung abgelehnt worden, sagt Philipp Rode. "Wir müssen daher einfach mehr Experimente wagen."