Ohne Profi-Journalisten, die ungehindert arbeiten können, ist die Demokratie bedroht

Es war bei einem Treffen von Chefredakteuren aus der ganzen Welt. Während Amerikaner, Engländer und Deutsche über die Bedrohung des Journalismus durch die digitale Revolution sprachen, schüttelte ein Kollege aus Russland den Kopf. "Die Journalisten in den westlichen Ländern haben es gut", sagte er. "Die müssen nur Angst um ihre Zeitungen haben. Wir Journalisten in Russland haben Angst um unser Leben."

Die kleine Geschichte illustriert eindrucksvoll, wie gespalten die Welt selbst im Jahr 2012 ist, wenn es um Pressefreiheit geht. Zwar hat es infolge des Arabischen Frühlings Verbesserungen im Nahen Osten gegeben, gleichzeitig ist die freie Berichterstattung aber auf einmal in europäischen Ländern wie Italien, Ungarn und Griechenland bedroht, von Russland gar nicht zu sprechen. Und die scheinbare Demokratisierung durch Google, Facebook und Co. bringt auf den ersten Blick zwar etliche Vorteile, ist mittel- bis langfristig aber nicht ungefährlich.

Die Bedeutung, die Pressefreiheit für die Freiheit in einem Land und einer Region hat, lässt sich an der entsprechenden Weltkarte ablesen, die jedes Jahr zum Thema herausgegeben wird. In den Ländern, die als besonders freiheitlich und freiheitsbewusst gelten, ist auch die Pressefreiheit am stärksten ausgeprägt - das gilt vor allem für Skandinavien, aber auch für Deutschland. Andersherum deuten beschränkte Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten eindeutig auf beschränkte Entfaltungsmöglichkeiten für die Menschen der jeweiligen Nation hin. Leider sind die Letzteren nach wie vor in der Mehrheit ...

Daran ändert das Internet noch wenig, wobei es helfen kann, totalitäre Systeme auszutricksen oder zu umgehen. Insofern ist die Rolle von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter bei Revolutionen wie in der arabischen Welt nicht zu unterschätzen, darf aber auch nicht dazu führen, dass man die Freiheit im Netz mit der Pressefreiheit verwechselt.

So wenig zeitgemäß der Begriff in einer digitalen Welt erscheint, so wichtig ist es, ihn nicht zu verwässern. Denn mit Pressefreiheit ist gemeint, dass Profis - Journalisten in Rundfunk, Fernsehen und Verlagen - den möglichst ungehinderten Zugang zu relevanten Informationsquellen sowie die Freiheit und die Zeit haben, sich damit kritisch auseinanderzusetzen. Das unterscheidet Deutschland beispielsweise von Russland: Bei uns analysieren gut bezahlte Fachleute die Politik von Regierungen, Finanzhaushalte und Gesetze und decken Missstände in einer immer komplexer werdenden Welt auf. Damit sind soziale Netzwerke und der sogenannte Bürgerjournalismus überfordert. Machthaber brauchen Machtkontrolleure auf Augenhöhe, Menschen, die qua Ausbildung, Erfahrung und Ausstattung überhaupt in der Lage sind, ihnen im Fall eines Falles auf die Schliche zu kommen.

Dieser Teil der Pressefreiheit kostet Geld, und dieser Teil der Pressefreiheit ist durch Diskussionen über das Aufweichen des Urheberrechtes, über kostenlose journalistische Angebote im Internet, zum Beispiel von staatlichen Fernseh- oder Rundfunksendern, bedroht. Soll heißen: Wenn sich mit Journalismus in der digitalen Welt kein Geld mehr verdienen lässt, werden die, die jetzt vor allem die grundgesetzliche Kontrolle ausüben, sich etwas anderes suchen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bezahlen können. In einigen Teilen der USA ist das schon so, wo regionale Regierungen, die teilweise über Ausgaben von mehreren Milliarden Dollar entscheiden, auf journalistischer Seite kein ernsthaftes Gegenüber mehr haben.

Staatliche TV- und Radiosender, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, haben ihre Berechtigung und eine wichtige Rolle in demokratischen Gesellschaften. Sie nutzen aber wenig, wenn es daneben nicht starke, private und unabhängige Medienhäuser gibt.