Die Hamburger Firma v-plane entwickelt ein Mini-Spaceshuttle für kommerzielle Ausflüge in die Schwerelosigkeit. Erstflug ist für 2016 geplant.

Hamburg. Hamburg ist zwar ein bedeutender Luftfahrtstandort, spielte in der Raumfahrt bisher aber kaum eine Rolle. Das ändert sich jetzt: Die Firma v-plane in Bahrenfeld entwickelt ein Raketenflugzeug, das mit acht Passagieren in den unteren Weltraum vorstoßen kann. "Der erste Flug ist für 2016 geplant", sagt Joachim Lau, Geschäftsführer von v-plane.

Das 15 Meter lange, pummelig wirkende Gefährt mit Panoramafenstern wird auf dem Rumpf eines zweistrahligen Airbus A300 in rund zehn Kilometer Höhe getragen. Nach dem Ausklinken zünden die beiden Triebwerke des Raketenflugzeugs, treiben es in gut einer Minute auf vierfache Schallgeschwindigkeit und lassen es in steilem Winkel auf mehr als 100 Kilometer Höhe steigen.

Die Insassen spüren dabei Beschleunigungskräfte von vier g - in manchen Achterbahnen ist die Belastung größer - und erleben anschließend fünf Minuten Schwerelosigkeit. Dann fällt der Mini-Spaceshuttle ebenso steil wieder zur Erde, geht schließlich in den Gleitflug über und landet auf einem regulären Flughafen.

Anders als alle bisherigen Raumfahrzeuge soll das von v-plane entwickelte Raketenflugzeug eine Zulassung der europäischen Luftsicherheitsbehörde EASA erhalten. "Damit sind wir Pioniere", sagt James Murray, Gründer des internationalen Konsortiums Booster Space Industries mit Sitz in Belgien, das den futuristischen Flieger bauen lässt und betreiben will. Murray, ein Brite, hat langjährige Branchenerfahrung. Er war unter anderem Entwicklungsleiter einer Firma, die Triebwerkteile für die europäische Trägerrakete Ariane produziert.

Für ihn ist die EASA-Zulassung entscheidend, weil erst durch sie regelmäßige kommerzielle Raumflüge möglich werden. So ist die behördliche Anerkennung die Voraussetzung dafür, die Passagiere versichern zu können. "Wir rechnen damit, nach zehn Jahren mehr als 2000 Gäste jährlich zu befördern", sagt Murray. Er hat zwei Zielgruppen im Blick: Wissenschaftler, die in der Schwerelosigkeit und außerhalb der Atmosphäre experimentieren wollen, sowie Weltraumtouristen.

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150 000 Euro sollen die ersten Tickets kosten, später will man mit erschwinglicheren Preisen einen größeren Kreis potenzieller Fluggäste ansprechen. Das Ticket soll dann laut Murray nur noch so teuer sein wie ein "gutes Auto". Zum Vergleich: Der Preis für einen Mitflug in der russischen Sojus-Rakete, die nach dem Ende der Spaceshuttle-Ära heute die einzige "buchbare" Fluggelegenheit ins All ist, liegt weit im zweistelligen Millionenbereich. Zwar erreicht die Sojus wesentlich höhere Geschwindigkeiten und kann damit in mehr als 300 Kilometer Höhe die Erde umkreisen, was einen Langzeitaufenthalt in der Schwerelosigkeit gestattet. Aber für die sogenannten Suborbitalflüge, die Booster anpeilt, sei nur ein Fünftel der Energie erforderlich - und vor allem seien sie für einen Bruchteil der Kosten realisierbar, argumentiert Murray.

Das Raumgefährt, das er entwickeln lässt, hat einen berühmten Vorläufer: Das amerikanische Raketenflugzeug X-15 absolvierte in den 1960er- Jahren knapp 200 Flüge und stieß dabei ebenfalls in Höhen von gut 100 Kilometern vor. Auch dieser erdnahe Weltraum biete große Marktpotenziale, ist Murray überzeugt.

Mit seiner Einschätzung ist er nicht allein. Innerhalb der nächsten zehn Jahre könne dieses Geschäft ein Umsatzvolumen von einer Milliarde Dollar haben, prognostiziert George C. Nield, Experte für kommerzielle Raumfahrt bei der US-Luftfahrtbehörde FAA.

Zwei Wettbewerber in Amerika wollen bereits in diesem Jahr zu ersten Testflügen starten. Virgin Galactic, eine Firma des britischen Multiunternehmers Sir Richard Branson, hat bereits 500 Tickets zum Preis von etwa 200 000 Dollar verkauft, unter anderem an die Filmstars Brad Pitt, Angelina Jolie und Tom Hanks. Einen Preis von 90 000 Dollar nennt die kalifornische Firma XCOR, deren Raketenflugzeug Lynx allerdings nur Platz für einen Passagier hat.

Trotz der Konkurrenzsituation pflege man gute Kontakte untereinander, sagt v-plane-Mitgründer Hans Petscher. Erst Ende Februar hat er die Wettbewerber auf einer Konferenz in den USA getroffen. "Auf dieser Veranstaltung hat Neil Armstrong eine Rede gehalten", so Petscher: "Das war ein Erlebnis." Armstrong hatte nicht nur im Juli 1969 als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond gesetzt, er war zuvor einer der X-15-Testpiloten gewesen.

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Nach einigen antriebslosen Probeflügen über der Nordsee soll auch das Booster-Gefährt zunächst in den USA starten. Später will man den Flugbetrieb nach Spanien verlagern, wo das Raketenflugzeug auch gebaut werden soll. Dabei setzt Murray weitgehend auf vorhandene Technik: "Wir müssen das Rad nicht neu erfinden." So hat sich Booster für Triebwerke des amerikanischen Herstellers Pratt & Whitney Rocketdyne entschieden, die sich bereits seit 47 Jahren bewähren. Anders als alle Konkurrenten nutze man damit zudem einen "grünen" Antrieb, der nur Wasserstoff und Sauerstoff verbrennt, ergänzt Lau.

Im Booster-Konsortium, das aus 30 Firmen und Institutionen besteht, hat man schon heute auch mögliche Weiterentwicklungen des Raumflugzeugs im Blick: "Mit stärkeren Triebwerken könnte man in 30 Minuten von Hamburg nach New York fliegen - vielleicht im Jahr 2030", sagt Petscher.

Der Booster-Auftrag ist nicht das einzige Projekt von v-plane. Dort arbeitet man auch an den Plänen für ein konventionelles elfsitziges Flugzeug und für einen kleinen Trainingsflieger. Booster Industries sei auf v-plane gestoßen, weil dieses Unternehmen eine selten gewordene Kompetenz besitze, so Lau: "Wir sind die einzige Organisation in Europa außerhalb der Hersteller wie etwa Airbus, die ein Flugzeug zulassungsreif entwickeln kann." Aktuell hat v-plane etwa 40 Beschäftigte, im nächsten Jahr sollen 30 weitere hinzukommen, um den Mini-Shuttle weiter voranzubringen.

Damit er tatsächlich abheben kann, muss Murray allerdings bei seiner Suche nach externen Investoren Erfolg haben. Zwar erwartet er EU-Fördergeld, aber das kann nur einen kleinen Teil der Investitionen decken. Schließlich weiß Murray genau, worauf es ankommt: "Raumflug ist heute kein technisches Problem mehr, sondern ein Problem der Kosten."