Eine Kritik von Silvia Stammer

Dass der Mensch in seiner Fantasie die dollsten Bilder ohne Nebenwirkungen aufleben lassen kann, unterscheidet ihn vom Tier. Angesichts langweiliger TV-Sendungen ist es nur schade, dass sich diese phänomenale Fähigkeit nicht direkt in HD-Qualität auf den Wohnzimmer-Bildschirm übertragen lässt. Stellen Sie sich vor: Sie könnten am Sonnabend einfach die Fernbedienung beiseitelegen und sich eigenen Utopien hingeben, die prompt auf dem Fernseher erscheinen. Frei nach Wolfgang Neuss: Heut mach ich mir kein Abendbrot, heut mach ich mir Gedanken.

Besonders heitere Geschichten im Kopf entstehen werktäglich um 7.17 Uhr im Radio: Dann, wenn auf NDR 2 "Frühstück bei Stefanie" läuft. Wie pawlowsche Hunde verstummen die Familienmitglieder zu Hause bei den ersten Klängen der Erkennungsmelodie. Das Schlemmerbistro hat Kult-Charakter, seit über 600 Folgen.

Der Schlachtruf der Fan-Gemeinde: Steffi, machst mir 'n Mettbrötchen! Längst war die Vorstellung gereift, wie die Kiosk-Betreiberin und ihre Gäste Udo, Herr Ahlers und Opa Gehrke aussehen - könnten! Der Konjunktiv war das Geheimnis des Kults.

Ein erster herber Rückschlag kam jedoch im Herbst 2010: Damals tauchten Steffi & Co. im Vorabendfernsehen auf. Grob im Strich, beleidigen die Protagonisten seitdem das Auge, statt nur das Ohr zu erfreuen. Und am Freitag eine weitere Hiobsbotschaft: Es gibt das neue Buch zur Serie. 224 Seiten, auf denen Steffi, im Microfaser-Hausanzug auf dem Sofa, interviewt wird oder Herrn Ahlers' Beschwerdebriefe zu lesen sind. Tendenz: überflüssig bis witzbefreit. Das kommt davon, wenn man Geschichten, die am besten nur im Kopf entstehen, zu sehr ans Licht zerrt.