Aurubis-Chef Bernd Drouven fürchtet bei längerem Stromausfall Schaden in Millionenhöhe. Investitionen im Hamburger Kupferwerk geplant.

Hamburg. Der Industrie ist es egal, woraus ihr Strom produziert wird. Nur der Preis müsse wettbewerbsfähig sein, sagt Bernd Drouven, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Kupferhütte Aurubis, die nach dem Zukauf des Industriekonzerns Luvata zum weltweit größten Hersteller und Verarbeiter von Kupfer aufgestiegen ist. Drouven warnt vor einem Alleingang Deutschlands in der Energiepolitik.

Hamburger Abendblatt: Herr Drouven, Teile der Wirtschaft warnen vor einem zu schnellen Ausstieg aus der Kernenergie. Die Furcht vor steigenden Strompreisen geht um. Teilen Sie diese Ängste?

Bernd Drouven: Die Strompreise sind in den vergangenen Wochen bereits gestiegen. Wir von Aurubis profitieren allerdings von einem langfristigen Bezugsvertrag mit Vattenfall. Unser Tarif richtet sich nach der Entwicklung der Kohlepreise. Damit können wir leben. Aber wir fürchten nach dem Aus für die Kernkraftwerke um die sichere Energieversorgung unserer Anlagen.

Aber regenerativ erzeugter Strom könnte diese Lücke füllen.

Drouven: Ja, wenn die Sonne scheint und genug Wind da ist, wäre dies sicher kein Problem. Aber der Wind weht nicht immer und auch auf die Sonne ist in Norddeutschland kein Verlass. Konventionelle Kraftwerke sind unabhängig von Witterungsverhältnissen. Bei Wetteränderungen, wenn zum Beispiel zu wenig regenerativer Strom ins Netz eingespeist wird, müssen konventionelle Kraftwerke zugeschaltet werden, um einen Blackout zu vermeiden. Kohlekraftwerke können diese Funktion übrigens nicht ohne Weiteres übernehmen, da sie sich nicht so flexibel hoch- und herunterfahren lassen.

Das Wort Blackout wird in der aktuellen Kernenergiediskussion gern als Schreckensgemälde an die Wand gemalt. Wie groß ist das Risiko, dass bei Aurubis in Hamburg ohne Strom aus Kernkraft die Lichter ausgehen, wirklich?

Drouven: Das prüfen wir gerade, genau sagen kann dies noch keiner. Aber die Wahrscheinlichkeit besteht. Wenn etwa die Spannung im Stromnetz sinkt, weil plötzlich weniger oder zu viel Windstrom eingespeist wird, kann ohne sofortigen Ausgleich durch Regelenergie das gesamte Netz zusammenbrechen. Sie können dann kein Licht mehr anmachen oder sich auch nicht mehr die Hände waschen, weil die Wasserpumpen versagen. Für uns würde dies bedeuten, dass unsere Schmelzöfen einfrieren, flüssiges Metall würde hart, die Öfen wären zerstört. Die Konsequenz wäre ein Schaden in Millionenhöhe.

War der Beschluss der Bundesregierung, die Laufzeit der Kernkraftwerke zu verkürzen, aus Ihrer Sicht falsch?

Drouven: Die Frage muss lauten, ob Deutschland ein Beispiel für den Rest der Welt sein kann. Und da sage ich Nein. Wenn wir hier im Land alle Kernkraftwerke abschalten, sind die Risiken durch diese Form der Energieerzeugung auch nicht gebannt. Denn während wir den Stecker rausziehen, entstehen in anderen Ländern wie Finnland, der Ukraine oder Großbritannien neue Atommeiler. Wir reagieren empfindlicher als andere Länder. In Frankreich liegt der Anteil der Kernenergie bei 78 Prozent und die Akzeptanz in der Bevölkerung ist sehr hoch.

Ein Land muss doch den Anfang machen.

Drouven: Der Industrie ist es völlig egal, wie der Strom, den sie verbraucht, entsteht. Aber der Preis dafür muss wettbewerbsfähig sein. Mit dem Ausstieg aus der Kernkraft und den gleichzeitig steigenden Abgaben für erneuerbare Energien und den Kosten für die in Europa eingeführten CO2-Zertifikate riskieren wir, dass Deutschland seine Industrie verliert, da sie in andere Länder mit geringeren Umweltschutzkosten abwandert.

Bisher ist noch kein Unternehmen aus diesem Grund abgewandert.

Drouven: All die oben genannten Maßnahmen haben zur Folge, dass der Strom für die Industrie teurer wird als in anderen Ländern außerhalb der EU. Es gibt schon heute Unternehmen, die wegen der hohen Strompreise neue Produktionsstätten außerhalb Deutschlands bauen. Und das wird gravierende Folgen haben. Neben Arbeitsplätzen und Kaufkraft wird auch das Know-how aufgegeben. Am Ende des Tages wird es um den Wohlstand eines Landes gehen. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Politik dies erkennt und Maßnahmen ergreift.

Werden Sie in Ihrem Werk auf der Peute neue Investitionen starten, oder lohnt sich dies angesichts der Lage in der Energieversorgung für einen Konzern wie Aurubis nicht mehr?

Drouven: Natürlich werden wir auch in Hamburg weiter in die Erhaltung investieren. Aber bei jedem neuen Projekt werden wir genau nachdenken müssen, ob und wo sich das lohnt.

Sie werden mit der Übernahme eines Teilbereichs des Industriekonzerns Luvata zum weltweit größten Hersteller und Verarbeiter von Kupfer. Wird es nach dem Zukauf bei Aurubis einen Stellenabbau in Hamburg geben?

Drouven: Nein. Beide Firmen überlappen sich kaum. Wir produzieren 1,1 Millionen Tonnen Kupfer als Gießwalzdraht und Strangguss. Luvata stellt pro Jahr 160 000 Tonnen Walzprodukte her, wir nur 30 000 Tonnen. Mit Luvata bekommen wir ein weiteres Vertriebsnetz und stärken unsere Internationalität. So können wir auch erstmals große, weltweit tätige Kunden beliefern, für die wir bisher zu klein waren.

Werden weitere Übernahmen folgen?

Drouven: Erst mal müssen wir Luvata integrieren.

Aurubis wollte schon vor Jahren in China Fuß fassen. Besteht jetzt die Gelegenheit?

Drouven: Nein, wir wollen doch nicht unser Know-how nach China bringen. Andere asiatische Staaten wären möglich, aber meist scheitert eine Übernahme an der Bürokratie in den jeweiligen Ländern. Interessiert sind wir auch an Südamerika. Doch die Rahmenbedingungen müssen stimmen. In Peru wird derzeit eine Kupferhütte günstig angeboten. Doch die Umgebung ist so belastet, dass es für uns nicht infrage kommt.

Die Betriebe in der Grundstoffindustrie werden von Männern dominiert. Wäre da nicht eine Frauenquote sinnvoll?

Drouven: Leider gibt es in unserer Branche kaum Frauen - und ich kann sie mir ja nicht backen. Niemand will den Einzug von Chefinnen verhindern. Mit einer Quote würden wir aber auch nicht mehr erreichen. Unser Problem ist, dass vor 20 Jahren nur wenige Frauen Metallurgie, Chemie oder Maschinenbau studiert haben. Deshalb gibt es heute in der Grundstoffindustrie zu wenige Expertinnen, die auch noch Führungserfahrung haben. Aber wir fördern am Northern Institute of Technology ausländische Studenten, vor allem auch höchstqualifizierte Frauen. Vielleicht sehen wir einige davon später in unserem Unternehmen wieder.

Sie haben angekündigt, dass Sie zum Jahresende bei Aurubis aufhören werden. Was ist vorgefallen?

Drouven: Dazu ist bereits alles gesagt. Aber Sie können mir glauben, dass ich mich mit dem Unternehmen sehr verbunden fühle. Das schüttelt man nicht einfach ab.