Hamburger Unternehmen AW Niemeyer steigert im stagnierenden Wassersportmarkt den Umsatz kräftig. Drei neue Filialen sind geplant.

Hamburg. Unten im weitläufigen Ladenlokal betrachten, prüfen und kaufen die Kunden Schekel, Tampen und Anker, Rettungswesten und Positionslichter, Seekarten und Revierführer. In der oberen Etage über dem Lager sitzt Geschäftsführer Michael Ortmüller gut gelaunt in seinem Büro. Die Bootssaison hat begonnen. Für die Firma AW Niemeyer bedeutet das Hochbetrieb. Das Unternehmen mit Sitz am Holstenkamp im Stadtteil Bahrenfeld ist der führende Ausrüster für Motor- und Segelboote in Deutschland. 10 000 verschiedene Artikel werden im Laden angeboten, 14 000 im Gesamtkatalog.

Die Freizeit- und Luxusbranche der Wassersportwirtschaft musste während der Weltwirtschaftskrise herbe Verluste hinnehmen - aber nicht in all ihren Segmenten gleichermaßen. Der Verkauf von neuen Booten ging im Hauptkrisenjahr 2009 gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel zurück, bei den Gebrauchtbooten schrumpfte der Markt um ein Viertel. Die Ausrüster hingegen kamen mit weniger als fünf Prozent Rückgang glimpflich davon.

"Während der Krise wurden deutlich weniger Boote gehandelt. Dafür investierten viele Eigentümer, die sich eigentlich gern mal ein neues oder ein anderes gebrauchtes gekauft hätten, in die Pflege und Restauration ihres alten Bootes", sagt Ortmüller, 58. Davon profitierte auch AW Niemeyer.

Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts stieg der gelernte Versandhandelsfachmann als Manager bei AW Niemeyer ein. Das Unternehmen schrieb seinerzeit bei einem Umsatz von umgerechnet 16 Millionen Euro rund vier Millionen Euro Verlust und war in seiner Existenz bedroht. Der damalige Inhaber Peter Flammang, bereits im Rentenalter, verkaufte AW Niemeyer 2001 an den Unternehmer Christoph Kroschke in Ahrensburg, der unter anderem im Geschäft mit Autoschildern tätig war. Die Kroschke-Gruppe hält bis heute 90 Prozent der Anteile, zehn Prozent gehören Ortmüller, der sich damals beteiligte.

Die Geschichte des Handelshauses AW Niemeyer reicht zurück bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete das Unternehmen als Schiffsausrüster, spezialisierte sich aber seit den 60er-Jahren auf den Boots- und Wassersportmarkt. Zu Beginn der 2000er-Jahre agierte das Unternehmen vor allem als Versandhändler. Ortmüller drehte das Geschäft um und baute AW Niemeyer zum in Deutschland führenden Filialhändler für Bootszubehör aus. 14 Ladengeschäfte gehören mittlerweile zum Unternehmen, von Kiel bis München, von Dormagen bis Berlin, obendrein eine Filiale in Wien. Zwei Drittel des Umsatzes kommen heutzutage aus dem Filialgeschäft, ein Drittel aus dem Versandhandel. Die Sortimente vor Ort werden regional angepasst. "In Bochum brauche ich weniger Auswahl an Seekarten für die Ostsee, dafür mehr für das Ijsselmeer in den Niederlanden", sagt Ortmüller.

Der deutsche Wassersportmarkt umfasste im Jahr 2009 rund 1,65 Milliarden Euro Umsatz. Das war fast exakt so viel wie im Jahr 2000. Für Ausrüstungen und Zubehör gaben die Kunden 2009 rund 190 Millionen Euro aus - immerhin gut 20 Prozent mehr als neun Jahre zuvor. AW Niemeyer hingegen hat seinen Umsatz seit dem Jahr 2001 bis zum vergangenen Jahr auf 32 Millionen Euro verdoppelt, "in einer stabilen Gewinnsituation", sagt Ortmüller. 140 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, davon 50 in Hamburg.

Möglich war das nur durch Verdrängung. In Deutschland gibt es noch rund 400 ganzjährig geöffnete Ausstatter für den Bootsmarkt. "Aber das sind überwiegend kleine Unternehmen mit sehr spezialisierten Sortimenten, die zudem oft auf teuren Flächen an den Sportboothäfen sitzen", sagt Ortmüller. "Wir gehen mit unseren Niederlassungen nicht zum Wasser, sondern dorthin, wo der Kunde wohnt." Das tun mittlerweile auch andere wie der Wassersport-Ausrüster Compass, ein Versandhändler, der kürzlich an der Kieler Straße nahe der Zentrale von AW Niemeyer ein großes Ladenlokal eröffnete. Ortmüller macht das nicht nervös. "Der Schwerpunkt bei Compass liegt im Versandhandel und zudem bei Bekleidung - da tun wir uns nicht weh."

Schwieriger erscheint der Bootsmarkt insgesamt. Der durchschnittliche Kunde von AW Niemeyer sei 50 Jahre alt, Angestellter und Besitzer eines Segelboots, sagt der Geschäftsführer. Dies und auch die gängigen Untersuchungen der Branche zeigen die Überalterung des Marktes: Insgesamt gibt es in Deutschland rund 500 000 Motor- und Segelboote. Das Gros der Eigentümer ist zwischen 50 und 70 Jahre alt. Ortmüller ist zuversichtlich, dass wieder mehr junge Menschen ihre Leidenschaft für den Wassersport und vor allem für die Segelei entdecken, sodass Filialen von AW Niemeyer auch in weiteren deutschen Städten erfolgreich sein können, etwa in Dresden, Stuttgart oder auch am Bodensee. Dort sind neue Ladenlokale geplant.

"Wir haben nicht den reichen Kunden", sagt der Mitinhaber und hofft, dass sich die bessere Lage am Arbeitsmarkt positiv aufs Geschäft auswirkt. Die Perspektiven seien so gut wie lange nicht mehr. "Jetzt", sagt Ortmüller, "haben die Menschen in Deutschland wieder Lust, in ihr Hobby zu investieren."