Obamas Forderungen an die Nahost-Parteien sind unrealistisch

Diplomaten, so heißt es, sagen ungern, was sie denken; Politiker hingegen denken ungern, was sie sagen. US-Präsident Barack Obama, Politiker und Diplomat gleichermaßen, sah sich nun gezwungen, schmerzhaft offen zu sagen, was er denkt. Geradezu versteckt in einer ansonsten unspektakulären Grundsatzrede zum "arabischen Frühling" fand sich die Forderung nach einem Israel weitgehend in den Grenzen von vor dem Sechstagekrieg 1967. Völkerrechtlich ist dies fraglos der sauberste Ansatz für eine Friedenslösung - und doch hat noch kein US-Präsident zuvor diese Forderung so klar erhoben. Im Gegenteil: Sein Vorgänger George W. Bush billigte den Israelis gar das Recht zu, die 1967 besetzten Gebiete nicht räumen zu müssen. Obamas Forderung ist plausibel - aber gefährlich zweischneidig. Die damals besetzten Golanhöhen mitsamt den Jordanquellen, das Westjordanland und der Gazastreifen verleihen dem Staat Israel - der gerade einmal so groß wie Hessen ist - nämlich eine begrenzte strategische Tiefe, die bis zu einem gewissen Grad vor Überraschungsangriffen schützen kann. Die Preisgabe dieser Gebiete würde Israel verwundbarer - und aggressiver - machen.

Kein Wunder also, dass Israels Premier Benjamin Netanjahu wütend reagierte. Der Hardliner, der bislang ohnehin nicht durch sonderlichen Friedenseifer aufgefallen ist und ein zerrüttetes Verhältnis zu Obama pflegt, würde seine rechtsnationalistischen Regierungspartner auch kaum dazu bringen können, diese gewaltige Kröte zu schlucken. Hinzu kommt, dass sich auf der palästinensischen Seite die gemäßigte Fatah mit der radikalen Hamas vereint hat, die noch immer die Vernichtung Israels anstrebt.

Obama, dessen Charmeoffensive von 2009 gegenüber der islamischen Welt kläglich gescheitert ist, weiß, dass ihm die Zeit davonläuft. Noch nie war das Image der USA in der arabischen Welt so miserabel, und die neuen Regime in der Region dürften noch weniger Sympathie für Israel hegen als die alten. Im September will Palästinenserpräsident Abbas einen einseitig ausgerufenen Staat von der Uno absegnen lassen. Der US-Präsident will dieser Provokation für Israel, die leicht in einen neuen Nahostkrieg münden könnte, unbedingt mit einer Einigung zuvorkommen. Sein politisch etwas brachialer, wenngleich gut gemeinter Vorstoß würde aber bedingen, dass die Hamas Israel anerkennt und Israel die alten Grenzen von 1967. Das ist derzeit wenig wahrscheinlich. Benötigt wird nichts weniger als ein Wunder in Nahost.