Gegen Seeräuber setzen Reedereien zunehmend privaten Begleitschutz ein - wie von der Firma i.b.s. aus Sittensen. Das Abendblatt sprach den Chef.

Hamburg. Die Arabische See zwischen Oman und Indien. An einem Nachmittag im Frühjahr nähert sich ein Schnellboot einem Spezialfrachter, der für eine internationale Ölgesellschaft fährt. Der russische Kapitän ist nicht ganz sicher, was da auf ihn zukommt: "Könnten es Piraten sein?" Daran besteht bald kein Zweifel mehr. "Das Boot kam auf 400 Meter heran, fuhr eine Runde um unser Schiff und stoppte", erzählt Andre S., der mit seinen Kollegen des Sicherheitsunternehmens i.b.s. aus Sittensen das Schiff unter Panama-Flagge seinerzeit bewacht hat.

Die fünf Mann, die da draußen im Speedboot sitzen, sollen die Chancen eines Überfalls klären. Ihnen folgen bald weitere sieben Boote von zwei Mutterschiffen. Sie bleiben mehr als zwei Stunden in Sichtweite des Frachters. Doch an Bord sehen sie jetzt, nur noch 150 Meter entfernt, sieben mit Sturmgewehren bewaffnete Männer, jeder von ihnen in schusssicherer Weste. Sie zeigen ihre Waffen selbstbewusst und wechseln ständig ihre Position auf dem Schiff. Solche Gegner bedeuten für die Piraten ein zu hohes Risiko. Sie drehen ab. "So wie bisher immer bei unseren 80 Einsätzen seit 2008, bei denen wir zwölf solche Annäherungen hatten", ergänzt i.b.s-Chef Horst Rütten beim Gespräch mit dem Abendblatt. Geschossen wurde bei diesem Vorfall nicht. Aber die Sicherheitsleute würden im Notfall nicht zögern.

Der Ruf nach privaten Sicherheitskräften für Handelsschiffe, die das Horn von Afrika passieren, wird auch in Deutschland immer lauter. Die Zahl der Überfälle stieg von 239 im Jahr 2006 auf 445 im vergangenen Jahr. Immer mehr Geiseln werden von den Piraten genommen. Waren es 1994 noch elf, nahmen die Kriminellen im vergangenen Jahr 1181 Seeleute gefangen.

Allein Schiffe unter deutschem Management absolvieren jährlich rund 1400 Passagen durch das gefährdete Gebiet, hat der Verband Deutscher Reeder (VDR) errechnet. Doch Marineangehörige oder Bundespolizisten schickt die Bundesregierung bislang nicht mit an Bord - obwohl Reedereien immer wieder versichern, die Kosten für die Einsätze zu tragen. "Bei der europäischen Marinemission Atalanta besteht bereits die Möglichkeit, Hilfsschiffe für Somalia durch Soldaten zu schützen", sagt VDR-Sprecher Max Johns. Dieses Mandat solle der Bundestag auf alle gefährdeten Schiffe ausweiten. "Solange es keine andere Möglichkeit gibt, greifen auch deutsche Reeder immer mehr auf Sicherheitsfirmen zurück."

Eine von ihnen ist i.b.s. Neben der Zentrale in Sittensen gibt es seit 2003 auch eine Niederlassung in Hamburg. Von dort aus starten die Teams zu Einsätzen von acht Tagen bis zu drei Wochen. 45 000 bis 65 000 Euro stellt Geschäftsführer Rütten den Reedereien dafür in Rechnung.

Einschließlich ihrer 6500 Euro teuren Sturmgewehre nimmt ein Team Ausrüstung für 80 000 Euro mit. "Bisher arbeiten wir vor allem für asiatische Reedereien, aber auch aus Deutschland kommen immer mehr Anfragen", sagt Rütten. Für die Schifffahrtsunternehmen kann sich ein Auftrag schnell lohnen. Allein die Charterkosten für einen Frachter liegen selten unter 10 000 Dollar pro Tag. Diese Miete kann das Schiff aber nicht erwirtschaften, wenn Piraten es festhalten. Noch schwerer wiegen die Qualen der Besatzung nach einem Piratenüberfall. Hinzu kommt das Lösegeld für die Seeleute.

Rüttens Teams können inzwischen fast überall im afrikanischen Krisengebiet an Bord gehen. "Dafür haben wir uns zunächst die Genehmigungen der einzelnen Staaten erarbeitet. Denn sie müssen zulassen, dass schwer bewaffnete Männer ins Land kommen und in ihren Häfen an oder von Bord gehen", sagt der i.b.s-Chef. Waffen und Ausrüstung der Firma sind dagegen nach deutschen Vorschriften registriert. "Für deutsche Reeder, die unter deutscher Flagge fahren, dürften bei einer Auftragsvergabe keine rechtlichen Probleme entstehen", sagt Rütten.

Auch im Ernstfall fallen die Einsätze unter deutsche Gesetze. "Wir berufen uns auf Nothilfe und Notwehr", sagt Rütten. Um diese beweisen zu können, trägt jeder der Männer ein Headset mit einer Kamera hinter dem Ohr. Sie dokumentiert, wie ein möglicher Schusswaffeneinsatz abläuft, wie die Sicherheitsleute reagieren und ob ein Waffeneinsatz angemessen ist. "Wenn die Piraten automatische Waffen oder Panzerfäuste abfeuern, dürfte aber kaum Zeit für Warnschüsse bleiben."

Gegründet hat der ehemalige Maat (Unteroffizier) der Marine, der einst auf einem Messboot in der Danziger Bucht Informationen über den Warschauer Pakt sammelte, seine Firma i.b.s. 1996. Schon von 1991 an hatte er Objekt- und Personenschutz in Deutschland angeboten, sich dann aber ins internationale Geschäft orientiert. Inzwischen erzielt er 85 Prozent seines Umsatzes im Ausland. Genauere Zahlen nennt er nicht. 2010 absolvierte er ein Fachhochschulstudium für Sicherheitsmanagement in Kiel. Seine Abschlussarbeit schrieb er über "Piraterie auf See".

20 seiner Mitarbeiter sind weltweit unterwegs. "Es sind Angehörige von Polizei und Militär, die Spezialkenntnisse erworben haben oder in Sondereinsatzkommandos waren und die sich für private Sicherheitsdienste interessieren", sagt Rütten. 6500 Euro gilt für internationale Einsätze als gängiges Einstiegsgehalt, Führer von Teams erhalten 8000 Euro und mehr: "Dennoch ist es schwierig, die Richtigen zu finden."

Gut möglich, dass er auf die Suche gehen muss. Denn in den nächsten Monaten könnte sein Unternehmen bis zu 40 weitere Leute benötigen. Zwei skandinavische Reedereien wollen mehrere Hundert Transporte sichern. Rütten muss nun sehen, "ob sich das darstellen lässt". Dazu würde er auch selbst losfahren und mit 47 Jahren wieder "an die Zeiten bei der Marine anknüpfen".