Eine Glosse von Alexander Schuller

Nur mal so, zur Erinnerung: Die Rolltreppe, eigentlich Fahrtreppe, ist vor gut 125 Jahren zur Erleichterung erfunden worden. Sie wurde also erfunden, damit man schwer beladen keine Treppen steigen oder zum Beispiel als Klaustrophobiker keinen Fahrstuhl nutzen muss. Außerdem schaffen sie Menschenmassen weg.

Doch Rolltreppen werden zunehmend zum täglichen Ärgernis, vor allem morgens in der Kernzeit. Und daran sind diejenigen schuld, die einfach nicht in der Lage sind, die wahre Bestimmung der Rolltreppe zu akzeptieren, und sie daher konsequent als Laufband missbrauchen, das sie vermutlich aus dem Fitnessstudio kennen. Rechts stehen, links gehen: Was soll dieser Blödsinn? Wer hat das eigentlich jemals festgelegt?

Dadurch werden konsequente Rolltreppenfahrer (korrekterweise müsste es natürlich Fahrtreppensteher heißen), die vorm Büroalltag diesen kleinen meditativen Moment der automatischen Beförderung genießen wollen, von Regenschirmen gepikst, von Koffern gerammt, von Aktenkoffern und Cityrucksäcken bedrängelt und beschubst. Überflüssigerweise werden sie von den Vorbeieilenden dann zumeist auch noch mit giftigen Blicken bedacht: bloß weil sie es gewagt haben, an ihrem Platz zu verharren und nichts gegen die schleichende Verkalkung der Koronargefäße zu unternehmen. Ein schlechtes Gewissen allen Stehern!

Diese dynamisch-verkniffenen Überholmanöver auf der Rolltreppe sagen übrigens eine Menge über die Charaktere der Sprinter aus. Und so ist die Rolltreppe weit mehr als nur ein bequemer Fahrspaß: Auf ihr spiegelt sich Millionen Mal am Tag das Bild der gehetzten Ellenbogengesellschaft wider.