Drei-Generationen-Gespräch über die Mutterrolle im Jahr 2011.

Hamburg. Ob der Muttertag festlich begangen wird, hängt sehr von der jeweiligen Familie ab. Bei Abendblatt-Mitarbeiterin Friederike Ulrich, 48, und ihrer Mutter Heidi Kahlke, 75, und Enkelin Sophia, 20, ist es ein Sonntag wie jeder andere.

Hamburger Abendblatt:

Frau Kahlke, welche Erwartungen haben Sie an den Muttertag?

Heidi Kahlke:

Gar keine, das ist ein Tag wie jeder andere. Ich wäre sogar überrascht, wenn es Aufmerksamkeitszeichen von meinen vier Kindern gäbe.

War das immer so?

Kahlke:

Nein, in Kindergarten und Grundschule haben sie schon etwas gemalt oder gebastelt.

Waren Sie enttäuscht, als die Geschenke ausblieben?

Kahlke:

Überhaupt nicht. Ich finde, der Tag wird zu sehr kommerzialisiert.

Frau Ulrich, warum haben Sie aufgehört, Ihrer Mutter etwas zum Muttertag zu schenken?

Friederike Ulrich:

Das weiß ich nicht mehr. Ich kann mich auch nur vage daran erinnern, dass ich überhaupt etwas gebastelt habe. Aber sicherlich habe ich aufgehört, als ich in die Pubertät kam.

Gab es im Verhältnis zu Ihrer Mutter schwierige Phasen?

Ulrich:

O ja, wir haben uns oft in die Haare gekriegt.

Kahlke:

Ich war auch oft besorgt - das habe ich mit meinen beiden Töchtern stärker erlebt als mit meinen zwei Söhnen. Vielleicht liegt das daran, dass die Ablösesituation zwischen Müttern und Töchtern schwieriger ist.

Wann hat sich das Verhältnis wieder gebessert?

Ulrich:

Ich würde sagen, mit meinem Erwachsenwerden. Einen enormen Wandel gab es, als ich selber Mutter wurde: Da habe ich meine eigene plötzlich anders wahrgenommen. Mir wurde bewusst, was es heißt, vier Kinder großzuziehen, ein großes Haus in Schuss zu halten und die vielen Einkäufe ohne Auto zu erledigen. Sie wurde mir auch als Ratgeberin wichtig.

Sophia, schenkst du deiner Mutter etwas zum Muttertag?

Sophia

(lacht) : Ehrlich gesagt dachte ich, der sei schon gewesen. Das letzte Mal hatte ich daran gedacht, als ich vor vier Jahren in Amerika war. Da habe ich meiner Mutter mit Fleurop Blumen geschickt und eine kitschige Karte.

Ulrich:

Stimmt, darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut, weil es so überraschend kam.

Eine schwangere Familienministerin, Babybäuche von Prominenten in den Hochglanzmagazinen: Wird über das Muttersein zu viel Aufhebens gemacht?

Kahlke:

Ja, es wird zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Auf der einen Seite der Hype um Kinder und die vielen Unterstützungsangebote für Mütter, auf der anderen Seite der Mangel an einem familienfreundlichen Umfeld.

Sophia, hast du Verständnis für Frauen, die keine Kinder haben wollen?

Sophia:

Klar, wenn sie Karriere machen wollen, ein Kind nicht ins Leben passt.

Ulrich:

Es ist nur so, dass man sich dann, wenn man Kinder hat, ein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen kann.

Kahlke:

Und sie erweitern den Horizont. Erst blickt man durch ihre Augen auf die Welt, später lernt man durch sie neue Berufe und Lebensbereiche kennen. Das ist für uns bei vier Kindern und elf Enkelkindern höchst spannend.

So eine große Familie. Und von denen wird sich niemand am Sonntag melden?

Kahlke:

Nein. Zumindest nicht, weil Muttertag ist.

Ulrich:

Na ja, wer weiß ...