Künstler, Veranstalter und Fernsehprominenz diskutierten über den Bau und seine Zukunft

Thomas Hengelbrock tauchte mehr oder weniger inkognito auf, in Windjacke und ohne geschniegelte Garderobe. Der zukünftige Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters, das hier als Residenzorchester entscheidende Programmakzente setzen wird, war gekommen, um die Baufortschritte zu begutachten. Dass er auf der Elbphilharmonie-Plazza ausgerechnet dem baumhohen Ulrich Wickert, (die beiden kennen sich aus Hengelbrocks Wohnort Paris) begegnete und sich mit ihm den Saal ansehen wollte, machte dem hochgewachsenen NDR-Maestro aber einen Strich durch die Rechnung mit der öffentlich-rechtlichen Unsichtbarkeit.

Auch Symphoniker-Chefdirigent Jeffrey Tate war da. Kurz vor einer Probe für sein nächstes Laeiszhallen-Konzert an diesem Sonntag besuchte er zum zweiten Mal nach dem Abendblatt-Neujahrsempfang den Konzerthaus-Rohbau. "Diesmal ist es hier aber nicht ganz so kalt", witzelte er mit britischem Understatement, bevor ihn die Pflicht wieder ans Chefpult rief. Genau dort lag auch der Grund, dass Generalmusikdirektorin Simone Young als Chefin des Philharmonischen Staatsorchesters bei der Zeremonie fehlte: Probe. Künstleralltag, Richtfest-Sause hin oder her.

Keine Konkurrenz zwischen Michel und Elbphilharmonie

Am Fahrstuhl zum Großen Saal warteten der Michel-Kirchenmusikdirektor Christoph Schoener und Philipp Klais auf eine Chance zur Saalvisite. Klais - Chef der Bonner Firma, die genau dort dank eines Hamburger Großsponsors die Elbphilharmonie-Orgel einbauen wird - machte keinen Hehl aus seinem Neid für das Projekt ("ein überragendes Landmark"), da Bonn sich aus Kostengründen gegen den Bau eines Konzerthauses entschieden hat.

"Dass man ein Haus für Musik mitten in der Stadt errichtet, ist ein Bekenntnis zur Kultur", sagte er. "Hamburg hat das auf der Haben-Seite." Als Rheinländer legte er grinsend einen Seitenhieb nach - in Köln hätte man für den Dom schließlich etliche Jahrhunderte gebraucht. Schoener betonte, quasi von einem Hamburger Wahrzeichen zum anderen, dass er keine Konkurrenz zwischen den Konzertanbietern Michel und Elbphilharmonie sehe.

Das beurteilen Christian Kuhnt, Chef der Konzertagentur Dr. Goette (Pro Arte), und sein Kompagnon Pascal Funke erwartungsgemäß differenzierter. Als Konzertveranstalter könne man sich über einen neuen Saal nur freuen, so Funke. Bei Fragen des Programmangebots käme man sich allerdings mit der Planung von Generalintendant Christoph Lieben-Seutter in die Quere. Am Rande des Geschehens beobachtete Leif Nüske den Trubel. Seine Neuauflage des Mojo Clubs an der Reeperbahn 1 ist noch weit von einem Richtfest-Termin entfernt, da kann man solche Festlichkeiten noch ganz entspannt sehen.

Die Begeisterung wächst mit zunehmender Entfernung zur Baustelle

Direkt vor der Bühne gab es ein weiteres Veranstaltertreffen: Der Berliner Impresario Peter Schwenkow (DEAG) und sein Sohn Moritz Schwenkow, Chef der Hamburger Familien-Filiale Elbklassik, unterhielten sich mit dem örtlichen Konzert-Doyen Karsten Jahnke. Die Euphorie von Schwenkow senior, der von Berlin aus bundesweit agiert, bestätigte die These, dass die Begeisterung für das Projekt Elbphilharmonie bei vielen mit zunehmender Entfernung zur Baustelle wächst. "Sie ist fürs Geschäft gut", meinte er, "sie ist für den Kulturstandort Hamburg gut." Das Hauen und Stechen um Preise und Pläne sieht Schwenkow gelassen. "Im Mikrokosmos betrachtet, ist das natürlich fürchterlich, aber schon sechs Monate nach der Eröffnung wird sich niemand mehr daran erinnern können." Krönender Abschluss seiner Wahrzeichen-Diagnose: "Wer den schönsten Apfel der Welt baut, kauft den Wurm gleich mit."