Der weltberühmte Pop-Art-Künstler spricht über Hamburg und New York, Krieg und Frieden - und seinen guten Kumpel Udo Lindenberg.

Hamburg. Hauptbahnhof, Gleis 11. Der blaue Teppich ist ausgerollt. Ehrengäste, Fotografen und Kamerateams warten. Auf James Rizzi, einer der erfolgreichsten lebenden Pop-Art-Künstler. Doch der ist erst mal in aller Ruhe einen Kaffee trinken. "Hoffentlich ist er bald da", sagt eine Vertreterin der Metronom Eisenbahngesellschaft. Jetzt, um 11.30 Uhr, sollte die weltweit erste "Rizzi-Lok" enthüllt werden. Acht Minuten später, Auftritt des Künstlers. Entspannt schreitet der New Yorker, begleitet von Applaus, die Treppe herunter. Der Mann trägt Hut, sein Markenzeichen. Außerdem einen grau karierten Anzug, dazu ein Hemd und Turnschuhe - beides in seiner aktuellen Lieblingsfarbe Pink, in der er gerade auch seinen Jaguar angepinselt hat. Natürlich darf auch die Sonnenbrille nicht fehlen. "Der ist cool", raunt ein junges Mädchen. Vielleicht aber auch nur ein wenig übernächtigt: Am Mittwoch erst war er in Stuttgart gelandet, wenige Stunden später nach Hamburg weiter ereist. Kaum Zeit für Eindrücke.

Doch von Deutschland, wohin James Rizzi die meisten seiner Werke verkauft, hat sich der Amerikaner in den vergangenen 25 Jahren bei zahlreichen Besuchen ein buntes Bild gemacht. Nicht auf Leinwand, sondern im Herzen. Hamburg gehöre zu seinen Lieblingsstädten. Wegen der Alster, der Architektur, der alten Freunde. Udo Lindenberg, der wie Rizzi auch grundsätzlich den Hut aufhat, sei so einer. "Mit ihm einen Abend lang abzuhängen ist einfach super. Mehr Spaß geht nicht", meint Rizzi.

Freude will Rizzi auch mit seinen Kunstwerken wecken. In seinen knallbunten 3-D-Grafiken geht es vordergründig um New York - die Metropole, in der James Rizzi 1950 geboren wurde, in deren Stadtteil Brooklyn er aufwuchs, in deren Künstlerecke SoHo er lebt. Hintergründig gehe es um "städtisches Leben". Deshalb inspiriere ihn auch Hamburg besonders. "Eine weltoffene, tolerante Stadt, in der Menschen verschiedener Kulturen zusammenleben. Insofern steckt auch ein bisschen New York in Hamburg."

Mit der Idee von einer bunt zusammengewürfelten Gesellschaft ist der Pop-Art-Künstler mit italienischen Vorfahren groß geworden - und aufgewachsen. "In meiner Nachbarschaft wohnten Kinder italienischer, osteuropäischer, kubanischer Einwanderer", erzählt Rizzi. Nie sei es darum gegangen, wer an welchen Gott glaube oder wer welchen kulturellen Hintergrund habe. "Es ging immer darum, wer beim Baseball am besten trifft. Das hat mich geprägt."

Um Sport geht es am Hamburger Hauptbahnhof an diesem Donnerstagmorgen nicht, als James Rizzi Elftklässler des Luruper Goethe-Gymnasiums trifft. Die Schüler hatten sich mit dem Thema des sicheren Verkehrsverhaltens im Bahnbereich befasst und dazu ein eigenes Kunstwerk im Rizzi-Stil angefertigt. Der Künstler ist überwältigt: "Ich liebe es. Es ist gerade dieser Austausch mit Jugendlichen, der mich begeistert", sagt Rizzi, der Pablo Picasso und Paul Klee als Vorbilder nennt. Auch die Schüler sind angetan. "Er ist einfach klasse, wirkt so locker und bescheiden", sagt ein junges Mädchen. Ein anderes fügt hinzu: "Ein Kumpeltyp. Auch sein bunter Look gefällt mir."

Die Welt des James Rizzi, der am 6. Mai 2002 auch schon die Titelseite des Hamburger Abendblatts gestaltete, ist tatsächlich bunt. Und friedlich. "Peace" und "Love" gehören zu den Lieblingsvokabeln des Künstlers, der sich als "alten Hippie" versteht. "Ich bin als Student gegen den Vietnam-Krieg auf die Straße gegangen - und würde es heute gegen den Krieg im Irak wieder tun." Dieser Militäreinsatz koste zu viele Leben und zu viel Geld. "Ich bin davon überzeugt, dass es mehr bringt, sich hinzusetzen, Menschen zuzuhören und sich mit ihnen zu unterhalten."

Genau das tut er auch an diesem Morgen an Gleis 11. Bis die blaue Plane fällt und die "Rizzi-Lokomotive", die in den kommenden 20 Monaten in Norddeutschland auf dem Streckennetz des Metronom unterwegs sein wird, enthüllt wird: leuchtende Farben, ein bisschen schrill, verspielt, kindlich-naiv bemalt - so präsentiert sich das fahrende Kunstwerk. Ein typischer Rizzi eben. Und den gibt es schon längst nicht mehr nur als Bild für die Wohnzimmerwand.

Denn James Rizzi, der in den 70er-Jahren anfing, erste Radierungen zu verkaufen, hat einst auch Wirtschaft studiert und weiß die "Kunst der Stunde" zu nutzen: 1993 gestaltete er einen Umhang für Henry Maske, 1996 eine Boeing 757 für Condor, 1999 drei Modelle des New Beetle für Volkswagen - und jetzt eben die Metronom-Lok. In Heilbronn hat er eine Stadtbahn verschönert. Außerdem hat die Deutsche Post 2008 vier Rizzi-Briefmarken aufgelegt. "Was mich stolz macht, ist, dass man einen Rizzi auf den ersten Blick erkennt."

Doch ist der Künstler eigentlich immer so lebensfroh wie seine Werke? "Absolut nicht", sagt Rizzi. "Ich kann sehr griesgrämig und launisch sein." Seine Arbeit wirke wie eine Therapie, beim Malen vergesse er seine Probleme. Rizzi lächelt zufrieden, als er in den Metronom-Sonderzug nach Bremen steigt. Dort wird er auf dem Messegelände "Rizzis Welt", seine bisher weltgrößte Ausstellung mit 1400 Werken, eröffnen. Die Organisatoren rechnen mit 35.000 Kunstfreunden, die sich die Schau bis zum 4. Juli ansehen werden. Nach Hamburg will Rizzi bald wiederkommen. Um die Stadt wiederzusehen. Und seinen Kumpel Udo natürlich.