Tod am Jungfernstieg zeigt das Versagen in der Sicherheitspolitik

Es geschah nicht auf der Reeperbahn, nicht in einer dunklen Nebenstraße und nicht in einem der sozialen Brennpunkte der Stadt. Es geschah in bester Citylage, unter einer der besten Adressen, in einem der belebtesten S-Bahnhöfe der Stadt. Ein junger Mann wurde am Freitag auf dem Bahnsteig der Station Jungfernstieg erstochen. Er musste sterben, weil er zufällig dort saß.

Die Bluttat vom Jungfernstieg schockiert die Hamburger. Die Tat ist unbegreiflich. Und viele Menschen fragen sich: Wie sicher bin ich noch in dieser Stadt?

Denn der Tod des 19 Jahre alten jungen Mannes ist nicht das erste Verbrechen dieser Art. Erst im Februar hatten zwei Jugendliche einen jungen Mann im HVV-Bus zusammengeschlagen und waren wie besessen auf den Kopf des Daniederliegenden gesprungen. Es war ein glücklicher Zufall, dass der Mann überlebte. Die Täter wurden dank der Videoaufzeichnungen wenige Tage später gefasst.

Lange gingen Sicherheitsexperten davon aus, dass die flächendeckende Videoüberwachung Gewalttäter abschrecken und so auch Busse und Bahnen sicherer machen würde. Der Tod des 19-Jährigen im Bahnhof Jungfernstieg zeigt abermals, dass dies ein lebensgefährlicher Irrtum ist. Natürlich wird es die absolut sichere Stadt niemals geben. Doch Hamburg braucht mit seiner stark angestiegenen Zahl von schweren Gewaltverbrechen und einer Gesellschaftsschicht, die offenbar keine Hemmschwellen mehr kennt, mehr als Videoüberwachung und den ewigen Ruf nach vorbeugender Jugendarbeit. Für mehr Sicherheit sorgen am Ende wahrscheinlich nur Beamte, die vor Ort sind und durchgreifen. Das New Yorker Konzept der "Null Toleranz" gegenüber Straftätern hat immerhin bewiesen, dass Erfolge im Kampf gegen Kriminelle möglich sind.

Diese Erfolge fordern immer mehr Hamburger ein. Wenn fast jede Nacht Autos brennen, unsere Kinder nicht mehr sicher mit Bussen und Bahnen fahren können und die Schanze regelmäßig mit brennenden Barrikaden zum Schlachtfeld wird, greift das Gefühl der Unsicherheit um sich.

Wohin das führen kann, hat die Bürgerschaftswahl 2001 gezeigt: Die Hamburger straften die SPD als Regierungspartei ab und wählten den Populisten Schill ins Parlament. Für die Union, der man einst große Kompetenz auf diesem Gebiet zutraute, muss das eine Mahnung sein. Sie wird im Bereich der Sicherheit Kante und Kompetenz zeigen müssen - das ist das Mindeste, das die Stadt einem jungen Mann schuldig ist, der sterben musste, weil er auf die S-Bahn wartete.