Der Kinderschmerztherapeut Dr. Raymund Pothmann über Stress und Kopfschmerzen.

Hamburger Abendblatt:

Welche Gründe sind dafür verantwortlich, dass Kinder unter Kopfschmerzen leiden?

Dr. Raymund Pothmann:

Ganz allgemein kann man sagen: wenn es eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt. So hat zum Beispiel die Überlastung im Schulalltag in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Unterrichtsstunden bis in den Nachmittag hinein gehen häufig über die Kräfte der Kinder. Der lange Schulbetrieb hält viele davon ab, sich in der Freizeit durch Sport und Spiel die nötige Entspannung zu verschaffen.

Welche Altersgruppe ist hauptsächlich betroffen?

Die meisten Kinder haben erstmals in den ersten beiden Schuljahren Kopfschmerzen. In dieser Zeit steigt der Anteil von Kindern, die damit ihre ersten Erfahrungen machen, auf 80 Prozent an. Im Vorschulalter sind es nur zehn Prozent. Starke Kopfschmerzen, die die Einnahme von Medikamenten erforderlich machen und Schule und Freizeit beeinträchtigen, nehmen bei Kindern ab der 5. Klasse zu, weil dann noch einmal die Anforderungen steigen.

Welche Stressfaktoren gibt es?

Neben äußerem Stress durch Überforderung gibt es auch andere Stressformen. So kann zum Beispiel das Zusammenleben in Patchworkfamilien mit Stress verbunden sein. Unter Stress durch Schlafmangel leiden vor allem Jugendliche. Stress kann auch die Folge falscher Ernährung sein: morgens nicht frühstücken, zu wenig trinken und zu viel Süßigkeiten. Dann kommt noch der Stress hinzu, der von innen heraus entsteht, wenn Kinder sehr hohe Ansprüche an sich selbst haben, immer ein noch besseres Zeugnis haben wollen.

Wie kommen Sie der Ursache von Kopfschmerzen auf die Spur?

Die meisten Eltern sind erst mal daran interessiert, organische Ursachen für die Kopfschmerzen abzuklären. Dann müssen wir ihnen erklären, dass Kopfschmerzen in 99 Prozent der Fälle keine körperlichen Ursachen haben.

Wann ist eine Behandlung nötig?

Wenn regelmäßig zwei- bis dreimal im Monat gravierende Kopfschmerzen auftreten und Schule und Freizeit beeinträchtigen, sollten die Eltern mit dem Kind einen Arzt aufsuchen.

Was können Kinder und Eltern tun?

Stellt sich bei der Untersuchung durch den Kinderarzt heraus, dass keine organische Ursache für die Schmerzen vorliegt, sollten die Kinder einen Kopfschmerzkalender führen, in den sie eintragen, wann die Schmerzen auftreten. Allein dadurch kann schon eine Besserung eintreten. Als Medikament können Ibuprofen und Paracetamol eingesetzt werden. Zusätzlich sollten Eltern und Kinder ihren Alltag auf den Prüfstand stellen und versuchen, Situationen, die mit Stress verbunden sind, abzustellen

Informationen: Delfin-Kids - Zentrum für Integrative Kinderschmerztherapie, Tangstedter Landstraße 400, Haus 10, Tel. 52 71 86 12, www.delfin-kids.de