Manchmal, wenn ich unserer Tochter zuschaue, wie sie mit Hingabe ihre Puppen wickelt und bettet, stelle ich mir vor, wie ihr Leben wohl in zehn Jahren aussehen wird. Steht dann gerade ein geschniegeltes Mitglied der Schüler-Union mit Gel-Frisur und Angela-Merkel-Gedächtnissticker genau hier in der Zarge ihres Kinderzimmers? Oder durchwühlt ein pubertierender Punk mit gepiercter Nase das schöne Haar meiner dann 14-jährigen Anna? Es sind Zukunftsbilder, die bei mir akute Herzrhythmusstörungen auslösen. Meine Frau sagt dann immer, ich solle mich nicht so haben. Diese Eifersucht sei doch lächerlich. Außerdem seien wir doch alle mal jung gewesen.

Das kann mich nicht beruhigen. Ich weiß doch, mit welchen Tricks wir früher gearbeitet haben. Ich erwäge daher, Annas drei Jahre älteren Bruder spätestens ab 2020 gegen ein kleines Salär mit den entsprechenden Observationen zu beauftragen.

Hannes ist eine wirklich treue Seele, im Vergleich zu seiner gerissenen Schwester allerdings auch hoffnungslos naiv. Seine Protokolle, ich ahne es, werden wie folgt aussehen: "Habe Anna gerade mit irgendeinem Typen gesehen. Aber da ist nichts. Anna hat mir gesagt, dass sie nur für die Schule lernen wollen."

Nein, ich glaube, das mit Hannes macht keinen Sinn. Ich muss selbst wachsam bleiben. Noch kann ich eigentlich entspannt sein. Denn derzeit sind Freunde bei Anna so out wie Volksmusikanten beim Heavy-Metal-Festival. "Papa, die popeln. Das ist voll eklig", pöbelt Anna gelegentlich über die Jungs aus dem Kindergarten. Und außerdem mögen sie keine Puppen, sondern machen so doofe Sachen wie Fußball spielen. Johny, ihren größten Verehrer - zugegeben wirklich ein ganz Süßer -, hat sie schon zweimal abblitzen lassen. Gestern allerdings sagte sie mir, dass sie Johny doch mal besuchen will: "Stell dir vor Papa, der hat eine lebende Maus."

Ich wusste es doch. Sie arbeiten mit allen Tricks.