Melanie Franke arbeitet seit 15 Jahren als Fachanwältin für Familienrecht. Die zweifache Mutter ist Partnerin in der Hamburger Kanzlei Schneider, Stein und Partner.

Hamburger Abendblatt:

Wie schnell geraten Kinder bei Scheidungen zwischen die Fronten?

Melanie Franke:

In dem Moment, in dem einer der beiden Elternteile ausgesprochen emotional verletzt aus einer Trennungssituation hervorgeht, ist die Gefahr sehr hoch, dass der Ärger über den Partner auf dem Rücken des Kindes ausgetragen wird. Eines ist dabei entscheidend: Väter kämpfen heute viel mehr um ihre Kinder als vielleicht noch vor zehn Jahren. Das liegt an einem neuen Rollenverständnis. Viele Väter teilen sich heute von Anfang an die Betreuung der Kinder mit den Müttern und bauen schnell eine sehr enge Bindung zu den Kindern auf. Entsprechend groß ist die Bereitschaft, bei einer Trennung gegen eine Mutter, die das Umgangsrecht boykottiert, gerichtlich vorzugehen. Bei Auseinandersetzungen dieser Art werden die Kinder als Druckmittel und Spielball der verletzten Gefühle des einen oder anderen Elternteils benutzt.

Was sind die schlimmsten Fehler, die Eltern bei einer Trennung machen können?

Eltern müssen den Kindern vermitteln, dass ihre Trennung nichts mit einem Verlust ihrer Liebe zu ihnen zu tun hat. Der größte Fehler, den Eltern machen können, ist es, das Kind gegen den jeweils anderen auszuspielen und dem Kind zu signalisieren, dass er oder sie die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil nicht billigt. Die Mutter, die ihrem Kind in allen Einzelheiten erzählt, was für ein Betrüger der Vater ist oder umgekehrt, bringt das Kind in höchste Not. Dieses Kind liebt zwar den anderen Elternteil, fühlt sich aber gleichzeitig von ihm verraten und solidarisiert sich mit dem vermeintlich schwächeren Partner, oft der Mutter. Wenn dann auch noch der Vater anfängt, die Mutter zu diskreditieren, wird klar, dass einen solchen psychischen Druck überhaupt kein Kind aushalten kann.

Gibt es Paare, die besser mit der schwierigen Situation umgehen?

Es gibt zunehmend mehr Elternteile, die sich auch in der Trennungsphase ihrer Elternverantwortung bewusst sind. Das gilt vor allem für die Paare, die übereinstimmend zu dem Schluss gekommen sind, dass eine Trennung besser ist und die sich schon während ihrer Ehe die Betreuung der Kinder geteilt haben. In der Regel ist zudem der Alltag darauf zugeschnitten, dass auch die berufstätige Mutter auf die konstruktive Mithilfe des ebenfalls berufstätigen Vaters bei der Betreuung der Kinder angewiesen ist. Kinder, die verantwortungsbewusste Eltern haben, haben eine Chance, auch ohne große psychische Schäden aus einer solchen Trennungssituation hervorzugehen.

Kann eine Trennung in irgendeiner Weise erträglicher gemacht werden für das Kind?

Die eigenen verletzten Gefühle hinter der Elternverantwortung zurückzustellen, ist die einzige Chance, dass das Kind ohne nachhaltige seelische Wunden aus dieser Art Lebenskrise hervorgeht. Ein guter Tipp ist eine trennungsbegleitende Familientherapie, wenn die Eltern an ihre Grenzen stoßen. Hilfreich ist auch, wenn die Eltern ihren Kindern von Anfang an über die Trennungshintergründe nicht zu viel verraten, sondern deutlich machen, dass es schlicht um einen Konflikt zwischen ihnen geht, der aber nichts mit ihrer Liebe zu ihren Kindern zu tun hat.

Wer hat größere Chancen vor Gericht, wenn es um das Sorgerecht geht: die Väter oder die Mütter?

Es ist zunächst wichtig zu wissen, dass man heute nicht mehr sehr viel über die Frage der elterlichen Sorge als solcher, sondern vielmehr über die Frage streitet, bei wem die Kinder leben sollen. Also über das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Grundsätzlich hat zunächst immer derjenige, der die Kinder während der Ehe hauptsächlich betreut hat, die besseren Chancen, einen solchen Prozess zu gewinnen. Eine Tendenz dahin, dass die Mütter einen entsprechenden Vorteil haben, auch dann, wenn tatsächlich die Betreuung der Kinder in der Ehe paritätisch geteilt war, sehe ich persönlich immer noch. Allerdings werden von den Gerichten auch zunehmend die Rechte der Väter gestärkt.