Die Lehrerin Elisabeth Kruse beschreibt, wie Eltern ihre Kinder beim Lernen unterstützen können

Der erste Schultag ist nicht der, an dem Ihr Kind zum ersten Mal den Klassenraum betritt. Die Vorbereitung auf die Schulzeit beginnt nämlich schon im entscheidenden Maße im frühkindlichen Alter, wobei der Erwerb von sprachlichen und sozialen Kompetenzen am wichtigsten ist. Hierbei können Eltern meiner Meinung nach durch folgende Punkte gezielt mitarbeiten:

1. Früh sprachliche Kompetenz erwerben

Das Geschichtenvorlesen hat eine enorme Bedeutung für den Erwerb der sprachlichen Kompetenzen. Es fördert Lese- und Hörverständnis. Dabei muss den Eltern klar sein, dass es nicht reicht, eine CD zu hören. Nur beim Vorlesen kann das Kind Rückfragen stellen und sich dazu äußern.

Leider konsumieren Kinder Bücher und Geschichten wie das Fernsehen. Sie lassen sich davon berieseln, verstehen nicht immer alles, nehmen es aber einfach so hin, weil sie ja auch beim Fernsehen keine Rückfragen stellen können. Es ist manchmal erschreckend, wie gering der passive Wortschatz bei Kindern ist. Viele Grundschüler kennen zum Beispiel nicht die Ausdrücke "erwidern, entgegnen" oder den Unterschied zwischen "zunächst" und "als Nächstes". Beim Vorlesen kann man aber auf all diese Begriffe eingehen, und dadurch erfolgt eine enorme Wortschatzerweiterung.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Schulung des Hörverständnisses. Viele Kinder nehmen im Unterricht nur das wahr, was ihnen mit mehreren Sinnen angeboten wird (optisch und akustisch). Werden Aufgaben nur mündlich gestellt, reagieren sie erst beim wiederholten Mal und verstehen sie.

2. Kommunikationsregeln festlegen

Nach den neuen Bildungsstandards, die bundesweit gelten, nimmt im Deutschunterricht das "Sprechen und Zuhören" eine zentrale Rolle ein. Bei der Zensierung wird es gleichwertig mit den beiden anderen Bereichen "Lesen und Textverständnis" sowie "Schreiben und Texte verfassen" behandelt. Auch hier können Eltern mit ihren Kindern Gesprächsregeln trainieren: Alle hören zu, wenn einer spricht - ausreden lassen, nicht ins Wort fallen -, auf die Beiträge der anderen eingehen. Besonders Einzelkinder tun sich da anfangs schwer, in Familien mit Geschwistern ist das besser zu üben. Dieser Punkt schafft schon einen fließenden Übergang zum nächsten.

3. Soziale Kompetenzen einüben

Schule findet in der Gemeinschaft statt, in der verbindliche Regeln das Gemeinschaftsleben ordnen. Die Eltern müssen darauf achten, dass vorgegebene Regeln einsichtig sind und auch eingehalten werden, wobei die Nichteinhaltung angemessene Konsequenzen hat.

Auch Ordnung gehört zu den Regeln. Das Kind muss lernen, Ordnung an seinem Arbeitsplatz und in der Schultasche zu halten, was man zu Hause im Kinderzimmer gut üben kann. Das Kind sollte in der Lage sein, sich selbst zu organisieren und seine Schulsachen ordnungsgemäß bereitzuhalten, ohne erst stundenlang zu suchen. Eltern sollten ihre Kinder nicht zu egoistischen Einzelkämpfern erziehen, sondern ihr Kind auf das Miteinander vorbereiten, das Rücksichtnahme erfordert. Die Schule ist nicht nur ein Ort der reinen Wissensvermittlung, sondern sie dient auch der Persönlichkeitsentwicklung.

4. Feinmotorik durch Basteln trainieren

Für das Schreiben ist die Ausbildung motorischer Fähigkeiten wichtig. Das können Eltern zum Beispiel durch das Basteln und den Umgang mit der Schere trainieren, ebenso durch das Ausmalen und Malen.

5. Aufmerksamkeit vermitteln

Als Lehrerin, die seit über 30 Jahren im Schuldienst tätig ist, habe ich in den letzten Jahren verstärkt den Eindruck, dass Schüler die Schule wie das Fernsehen konsumieren. Ich fühle mich oft als Entertainer, der sein Publikum bei Laune halten muss. Ist das Programm langweilig, schaltet man eben ab. Deshalb sollten Eltern ihren Kindern erklären, dass Unterricht nicht ständig Unterhaltung bedeutet, sondern mal langweiligere Phasen beinhaltet, in denen etwas eingeübt und trainiert wird. Dabei ist es für den Lehrer die größte Herausforderung, jedem Schüler individuell gerecht zu werden, sodass sich keiner langweilt und auch niemand überfordert wird. Diese innere Differenzierung gelingt in einer Klasse bis 30 Schülern nicht immer. Am wichtigsten ist es, dass die Kinder generell Spaß an der Schule haben. Denn wer mit Freude lernt, lernt besser.

Elisabeth Kruse ist Konrektorin einer katholischen Grundschule und hat drei erwachsene Kinder.