Prof. Schulte-Markwort vom UKE erklärt, warum Spielen so wichtig ist.

Hamburger Abendblatt:

Spielen Kinder heute anders als früher?

Prof. Michael Schulte-Markwort:

Kinder spielen heute weniger draußen und weniger Rollenspiele. Stattdessen spielen sie früher und intensiver mit Gegenständen wie Lego oder Playmobil und das mit weit mehr feinmotorischem Geschick. Gleichzeitig sind sie unsportlicher geworden, ihre grobmotorischen Fähigkeiten, wie z. B. auf einem Bein stehen, hat abgenommen.

Warum ist Spielen so wichtig für Kinder?

Spielen ist Probehandeln. Über Spielen lernen Kinder, das reale Leben zu verstehen, sich auszuprobieren, Fantasien und Visionen über ihr zukünftiges Leben zu entwickeln und logische Zusammenhänge zu begreifen. Im Gegensatz zu früher sind Kinder heute die meiste Zeit unter Aufsicht. Die Förderung steht im Vordergrund, und Spielen ist viel weniger Selbstzweck.

Welches Spielzeug ist sinnvoll, welches eher nicht zu empfehlen?

Spielen soll Spaß machen, Kinder interessieren und dazu führen, dass sie eine eigene Welt entdecken, in der sie sich frei bewegen können. Nicht sinnvoll sind Spiele, die Destruktivität fördern oder mit denen sie überfordert werden, weil übermäßig leistungsorientierte Eltern wollen, dass sie schon mit drei einen Taschenrechner bedienen können. Es spricht aber nichts dagegen, dass schon kleine Kinder in angemessenem Umfang am PC spielen. Alles, was übermäßig ist, ist aber nicht zu empfehlen. Übrigens: Holzspielzeug gefällt oft den Eltern am besten, nicht den Kindern.

Wie viel Zeit sollte ein Kind heute zum Spielen haben?

Das ist altersabhängig. Grundsätzlich sollten Kinder aber eigene Zeitabschnitte am Tag haben, in denen sie spielen, allein oder mit anderen. Das gilt auch für Schulkinder und auch für die, die aufs Gymnasium gehen. Deswegen sollte man nicht jede freie Minute mit einem Förderprogramm wie "Kinder-Uni für Fortgeschrittene" füllen und darauf achten, dass alles ausgewogen ist.

Kann man an der Art, wie ein Kind spielt, Rückschlüsse auf seine Intelligenz oder Psyche ziehen?

Am Spielverhalten wird sichtbar, wie gehemmt, aggressiv oder angespannt ein Kind ist, mit welchen Themen es sich beschäftigt. Aus der Art, wie es mit Geschicklichkeitsspielen umgeht oder wie komplex seine Konstruktionen aus Legosteinen sind, kann man als Profi Rückschlüsse darauf ziehen, wie intelligent und geschickt ein Kind ist.