Russland hat im Krisenstaat Syrien strategische Interessen

Fast ein Jahrtausend nach dem Zurücksinken in die geschichtliche Bedeutungslosigkeit taucht der Name der syrischen Hafenstadt Tartus wieder in strategischen Planspielen auf. Die einst mächtige Kreuzfahrerbastion ist der einzige Hafen, den Russlands Kriegsmarine am Mittelmeer unterhält. Über Tartus laufen auch die milliardenschweren russischen Waffenlieferungen an das Regime in Damaskus. Tartus ist ein Hauptgrund dafür, dass Moskau sich gegen jeden Versuch stemmt, den syrischen Despoten Baschar al-Assad aus dem Amt zu drängen. Aus eiskaltem Machtkalkül blockiert Russland alle ernsthaften Versuche, weitere Massaker in Syrien durch massiven Druck auf Assad abzuwenden. Unser guter Wirtschaftspartner Wladimir Putin tut sich, wenn es darauf ankommt, lieber mit den Regimen in Peking und Teheran zusammen, die wie Syrien Demokratiebewegungen brutal zusammenschießen lassen, als mit dem Westen an einem Strang zu ziehen.

Putin weiß, dass er im Westen damit den letzten moralischen Kredit verspielt. Aber ihm geht es langfristig nicht nur um Tartus und das gute Rüstungsgeschäft; es geht um die Schaffung eines globalen Machtinstruments zur Aushebelung der Nato; vor allem der Amerikaner. Dazu soll die Shanghai-Gruppe dienen, deren Führungsstaaten China und Russland sind. Deren übrige Mitglieder - Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan - glänzen auch nicht gerade mit ihren rechtsstaatlichen Bilanzen.

Niemand in diesem Verein - der Iran schon gar nicht - will nach Libyen einen weiteren Präzedenzfall schaffen, bei dem die Staatengemeinschaft zulasten eines tyrannischen Regimes interveniert. Diese brisante Gemengelage, in der die Nato, die Uno, Russland, China, der Iran mit der Hisbollah und der Hamas sowie die Shanghai-Gruppe und am Rande Israel eine Rolle spielen, gleicht einem Blindekuhspiel in einem Minenfeld. Das ist der Grund, warum sich in dieser Krise niemand wirklich bewegt.