An diesem Wochenende treffen sich Schornsteinfegerinnen aus ganz Deutschland in Hamburg. Für die Staderin Peters ist es ein Traumjob.

Hamburg. Der mittlere Knopf ihrer Jacke ist immer offen. So kann Melanie Peters schneller in die Innentasche greifen und ihren Handspiegel herausholen. Doch die 26-Jährige ist nicht so eitel, wie die Sache mit dem offenen Knopf suggeriert. Denn den Spiegel braucht sie nicht, um den Lippenstift nachzuziehen, sondern um sich verrußte Schornsteine von innen anzusehen, bevor sie diese fegt.

Melanie Peters' Beruf ist nichts Besonderes. Nach Schätzungen der Hamburger Innung gibt es deutschlandweit mehr als 15 000 Schornsteinfeger. In Hamburg sind es rund 200. Dennoch ist Peters eine Exotin, denn der Frauenanteil in der Branche liegt nur bei rund einem Prozent. "Wir freuen uns sehr über die Kolleginnen", sagt Peter Mothes, stellvertretender Obermeister der Schornsteinfeger-Innung Hamburg. "Und es könnten ruhig ein paar mehr sein." Das Problem liege aber nicht an mangelnder Bereitschaft bei den Ausbildungsbetrieben. "Es gibt einfach zu wenig Bewerberinnen", so Mothes.

Melanie Peters war immer klar, dass ein Schreibtischjob nichts für sie ist. Als sie ein Teenager war, starb ihr Vater.

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Im Frauenhaushalt mit Mutter und zwei Schwestern war es seitdem an ihr, wenn ein Wasserhahn tropfte oder ein Regal aufgebaut werden musste. "Mach beruflich bloß etwas Handwerkliches", habe ihre Mutter ihr damals gesagt. Brav - aber natürlich vor allem, weil es ihr auch Spaß machte - befolgte das Mädchen aus dem Alten Land den Rat. Sie wollte Tischlerin werden. Bei rund zehn Betrieben stellte sie sich vor - und erhielt nur Absagen. Mal hieß es, die Arbeit sei für sie aufgrund ihrer Statur zu schwer, mal war die Erklärung, es gebe ja keine sanitären Anlagen für Frauen. "Dabei gibt es in vielen Präsentationsräumen auch Toiletten für Kundinnen", sagt Peters, und dabei ist ihr noch heute die Empörung anzuhören. "Ich hatte das Gefühl, das waren Ausreden. In Wirklichkeit haperte es daran, dass ich eine Frau war."

Die damals 18-Jährige war frustriert. Eines Tages fuhr sie zufällig an der Schornsteinfeger-Innung in Stade vorbei. "Das wäre etwas für mich", dachte sich Peters. Einige Telefonate, ein Praktikum und einen Einstellungstest später hatte sie eine Lehrstelle. Anfang dieses Jahres hat sie ihren Meister gemacht.

Einen eigenen Kehrbezirk kann sich die Staderin gut vorstellen - aber erst später. "Jetzt will ich vor allem Berufserfahrung sammeln", sagt sie.

Erfahrungen sammelt Peters derzeit auch im Organisieren. Gestern begann das 15. Treffen der Schornsteinfegerinnen - diesmal in Hamburg. Rund 25 Frauen haben sich angemeldet. Der Veranstaltungsort wurde bereits im vergangenen Jahr ganz demokratisch per Abstimmung entschieden. Mit einem klaren Ergebnis: "Die wollten alle unbedingt mal nach Hamburg", sagt Peters. "Und da ich in der Nähe wohne, habe ich gleich mal die Vorbereitung aufgebrummt bekommen."

Die Fegerinnen treffen sich auf St. Pauli und wollen sich vor allem ein schönes Wochenende machen. Für heute Abend etwa ist eine Führung über den Kiez geplant. "Alle in voller Montur." Es gibt also etwas zu gucken. Und viele werden wieder meinen, dass ihnen das personifizierte Glück begegnet.

Wie ist das eigentlich, wenn ständig wildfremde Menschen einen anfassen, umarmen und einem über die Schulter spucken wollen? "Ich hatte das vorher nicht so bedacht", sagt Peters. "Das ist am Anfang schon ungewohnt, aber mittlerweile find ich so was sehr schön." Schließlich sei der Menschenkontakt auch ein Grund, warum sie sich für den Beruf entschieden habe.

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Erst einmal wollte jemand einen Knopf von ihrer Kutte als Glücksbringen haben. Sie gab einen von einer alten Jacke. Die Frau brachte den Knopf ihrem Partner mit ins Krankenhaus, der dort wegen Lungenkrebs operiert wurde. Heute ist er wieder zu Hause, und der Glücksbringer hängt an einer Regalstrebe im Esszimmer. Aus der Frau und Peters sind gute Bekannte geworden. Oft gibt es nach dem Fegen bei der Kundin nun noch einen Kaffee und die Dorf-Neuigkeiten.

Seit wann Schornsteinfeger als Glücksbringer gelten, ist nicht belegt. Der Grund liegt aber wohl darin, dass ihre Arbeit viele Feuer verhinderte - und Feuer waren früher die größte Gefahr für Stadtbewohner.

Probleme hatte Peters bisher wegen ihres Geschlechts kaum im Beruf - ganz im Gegenteil. "Die meisten Kunden freuen sich, wenn ich das erste Mal vorbeikomme", sagt sie. "Für die ist das ja etwas Neues und Spannendes." Oft gebe es Hausherren, die - ganz alte Schule - ihr etwas abnehmen wollen. Schließlich ist Peters mit einer Größe von etwas mehr als 160 Zentimetern und ihren 50 Kilo Gewicht eher zierlich. "Aber das ist sogar ein Vorteil."

Bei manchen alten Kaminen müsste der Feger schließlich wirklich noch hineinkrabbeln, und auch die Dachluken sind oft schmal - mancher Kollege scheitert da schon mal an seinem Wohlstandsbauch. "Ich passe dafür in jede Ecke", sagt Peters. Und so mancher Kunde freut sich sicherlich auch, wenn eine hübsche Frau ins Haus kommt.

Peters selbst macht sich um ihr Aussehen wenig Gedanken. An ihren schmalen Händen ist kein sauberer Zentimeter zu finden - alles voller Ruß. Auch über ihr Gesicht sind schwarze Striemen verteilt. Früher war das noch schlimmer. "Inzwischen habe ich mir abgewöhnt, mir zu oft ins Gesicht zu fassen", sagt Peters. "Aber manchmal wehen mir Spinnweben ins Gesicht, und die muss ich ja wegwischen." Andere Farben als Schwarz zieren Melanie Peters' Haut nicht. "Ich besitze gar kein Make-up", sagt sie. "Ich steh eben nicht so auf Mädchenkram."