Drei Teile, drei Gesichter. Mancher Prominente machte hier schon überraschende Grenzerfahrungen.

Hinrich Langeloh ist Alt-Osdorfer, Maria Meier-Hjertqvist ist Bornerin, und Ex-Fußballer Frank Rost lebt in Hochkamp. Sie alle wohnen in Osdorf, aber das ist vermutlich auch das Einzige, was sie wirklich verbindet. Denn es ist ein dreigeteiltes Viertel: Es gibt Prachtvillen, reetgedeckte Katen zwischen Einfamilienhäusern und Plattenbauten. Es gibt Superreiche, soliden Mittelstand und Hartz-IV-Empfänger.

Und es ist genau das, was diesen Stadtteil so spannend und vielseitig macht. Auf der einen Seite bäuerliche Natur und Tradition und auf der anderen Seite ein ehemals moderner, mehrstöckiger Siedlungsbau, der die Zahl der Osdorfer mal eben verdoppelt und das Durchschnittsalter deutlich reduziert hat. Der aber auch den Alt-Osdorfern lange Jahre ein Dorn im Auge war, weil er den Ruf und das Aussehen ihres Stadtteils nachhaltig verändert hat. Der Osdorfer Born hat in ihr Dorf am Rande Hamburgs die Probleme und Vielschichtigkeit der Großstadt mit Wucht hereingebracht. Vielleicht hat er auch die Bewohner der Villenkolonie Hochkamp dahingehend beeinflusst, dass viele von ihnen sich bereits in Nienstedten wähnen, obwohl sie oberhalb der S-Bahn-Station Hochkamp wohnen - und damit eindeutig zu Osdorf gehören.

Kampf um die bäuerliche Kultur

In Alt-Osdorf, das als "Oslevesthorpe" erstmals 1268 urkundlich erwähnt wurde, gilt seit Jahrhunderten der Leitspruch: "In Osdorf soll keiner alleine sein." Das hat sich zumindest der Bürger- und Heimatverein auf die Fahnen geschrieben. Mit 600 Mitgliedern ist er einer der größten in Hamburg. "Wir fühlen uns vor allem verpflichtet, die bäuerliche Kultur zu erhalten", sagt Vorstandsmitglied Erich Becker. Tatsächlich gibt es in Osdorf nicht nur ein Jagdrevier, sondern neben dem Erdbeerhof Prigge auch vier Bauernhöfe, die von Ur-Osdorfer Familien nun als Pferdewirtschaften betrieben werden.

Es sind moderne Betriebe, die in den 60er-Jahren in die Feldmark umgesiedelt wurden. Fast alle alten Höfe aus dem 17. Jahrhundert mussten dem Straßenbau weichen. Durch die Verbreiterungen der Osdorfer Landstraße und des Rugenfelds konnten die Bauern ihr Vieh nicht mehr über die Straße treiben, ihre Weideflächen wurden vom Dorfkern abgeschnitten. Nur wenige der alten Katen sind noch geblieben, als reetgedeckte Schmuckstücke verschönern sie die Ortsmitte am Rugenbarg oder blitzen zwischen den Autohäusern an der viel befahrenen B 431 hervor. "Die Stadt rückte näher und hat das Dorf vereinnahmt. Leider hat man damals nicht den Wert dieser schönen alten Häuser erkannt, aber sie standen eben mitten im Weg", sagt Hinrich Langeloh, ein Alt-Osdorfer, der sich für den Erhalt des Heidbarghofs einsetzt.

Als Heidi Kabel auf den Hund kam

Das reetgedeckte Fachwerk-Ensemble von 1842 mit wunderschönem Bauerngarten ist das kulturelle und gesellschaftliche Herz Alt-Osdorfs. Die Tochter des letzten aktiven Landwirts, Elisabeth Gätgens, hatte 1982 entschieden, dass das Anwesen an der Langelohstraße 141 nach ihrem Tod in eine Stiftung umgewandelt wird. Die Elisabeth-Gätgens-Stiftung sorgt nun für den Erhalt der Gebäude, und ihr Geschäftsführer Hinrich Langeloh organisiert auf der alten Diele Veranstaltungen von Jazz, Folk- und Klassikkonzerten bis zu Theaterstücken. Auch Heidi Kabel ist hier schon aufgetreten - eines ihrer wenigen Bekenntnisse zum Stadtteil. Denn obwohl sie an der Langelohstraße wohnte, fühlte sie sich als Nienstedterin. "Auf diesen Irrtum hingewiesen hat sie übrigens die Blankeneser Verwaltung. Als Heidi Kabel dort ihren Hund anmelden wollte, schickte die sie zu uns nach Osdorf", erzählt Marie-Luise Reckewell, Archivarin der Stiftung.

Eine andere Welt auf 21 Etagen

So wie Heidi Kabel sich geirrt hatte, so war auch Jazzpianist Joja Wendt lange nicht bewusst, dass sein Elternhaus in Hochkamp zum südlichen Osdorf gehörte. Hier lebt es sich vornehm auf großen Grundstücken, geschützt in den Grundbüchern durch die sogenannte Hochkamp-Klausel, die dauerhaft dafür sorgt, dass das ab 1896 entstandene Villenviertel mit seinen Gründerzeitbauten und Prachthäusern im Landhausstil sein Gesicht behält.

Da erscheint einem dann der Osdorfer Born ganz im Norden des Stadtteils wie eine andere Welt. Hier wohnen mehr als 12 000 Menschen in 4900 Wohnungen, der höchste Bau hat 21 Stockwerke. Zwischen 1967 und 1972 gebaut, war die Siedlung die Antwort des Senats auf die massiven Wohnprobleme jener Zeit. Heute leben hier vor allem Russlanddeutsche, Türken, Afghanen und Iraner. Viele sind arbeitslos, beziehen Hartz IV. Die größte Lebensmittelausgabe der Stadt befindet sich im Osdorfer Born. "Bei manchen geht es einfach darum zu überleben.

Doch trotz all dieser Probleme, identifizieren sich die Menschen hier mit ihrem Quartier", sagt Roland Schielke, seit 1977 Stadtteildiakon im Quartier. Er mag das Multikulturelle, die Unkompliziertheit vieler Borner, wie die Menschen sich hier nennen. Es gibt einen Zirkus, eine Bücherhalle und das in Norddeutschland einzigartige Klick-Kindermuseum. Hier vergnügen sich nicht nur Borner Kinder, die ermäßigt hineinkommen, sondern Kinder aus ganz Hamburg schleichen durch den Fühlgang oder erforschen "Großmutters Alltagsleben".

Die Feldmark verbindet

Doch es sind vor allem die Frauen, die sich mit vielen Gruppen für ihren Stadtteil engagieren. Wie Maria Meier-Hjertqvist, die seit mehr als 35 Jahren Bornerin ist. Sie ist seit jeher Sprecherin der Borner Runde, die sich als Bürgerbeteiligungsgremium im Jahr 2000 gegründet hat und sich um Verkehrsprobleme, Kultur und die Feldmark im Quartier kümmert. "Ich mag am Born, dass es hier sehr ruhig und grün ist", sagt Meier-Hjertqvist.

Die Natur ist ein eindeutiger Pluspunkt des gesamten Stadtteils. Weit über die Grenzen bekannt ist der Neue Botanische Garten in der Nähe der S-Bahn Klein Flottbek, der eine große Vielfalt an exotischen Pflanzen und Themengärten beherbergt. Und die 120 Hektar große Feldmark ist ein verbindendes Element im Stadtteil: Denn dort begegnen sich Borner wie auch Alt-Osdorfer beim Sonntagsspaziergang.

In der nächsten Folge am 13.10.: Neustadt