Hamburg. In Hamburg sind Musikclubs bedroht. In diesem Fall wollen Politiker gegensteuern, bevor es zu Konflikten kommt. Wie das gehen soll.

Fast etwas verloren wirkt das kleine Gebäude in Altona, das aus einer Zeit stammt, als hier an der Großen Elbstraße noch eine Güterbahn verkehrte. An diese alten Zeiten erinnert heute nur wenig am Hamburger Hafen. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Gebäude abgerissen, wuchsen Neubauten in die Höhe. Auch jetzt wird gebaggert. Überall. Es gibt spektakuläre Pläne für das Gebiet.

Doch angesichts der Zukunftsaussichten samt Wohnbebauung machen sich zunehmend mehr Leute Sorgen um das Relikt aus alten Zeiten. Denn das etwa 100 Jahre alte ehemalige Hafenbahnhofs-Gebäude beherbergt mittlerweile einen etablierten und beliebten Club – doch gerade die hatten es in Hamburg zuletzt schwer. Sie wurden aufgrund von Bauplänen verdrängt und geschlossen.

Altona: Politik will Clubsterben vorbeugen und Konflikte verhindern

Genau das soll dem urigen Lokal in Altona nicht passieren. In der jüngsten Bezirksversammlung haben die Grünen daher einen Antrag gestellt, der auch eine Mehrheit fand. Tenor: Man will vorbeugen und die Zukunft des Musikclubs jetzt absichern. Denn es besteht die Sorge, dass die geplante Wohnbebauung im Umfeld des Hafenbahnhofs zu Konflikten, Lärmbeschwerden, Klagen und am Ende auch Nutzungseinschränkungen für die kleine Kulturstätte führen könnte.

Der Hafenbahnhof an der Ecke Große Elbstraße und Kaistraße wirkt fast etwas verloren gegen die großen Pläne, die es für die Nachbargrundstücke gibt. Im Hintergrund sieht man Bagger bei den Abrissarbeiten.
Der Hafenbahnhof an der Ecke Große Elbstraße und Kaistraße wirkt fast etwas verloren gegen die großen Pläne, die es für die Nachbargrundstücke gibt. Im Hintergrund sieht man Bagger bei den Abrissarbeiten. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Altona-Altstadt: Pläne für Umgestaltung des Fischereihafens werden konkret

Denn nach einer langjährigen Planungsphase geht das Bebauungsplanverfahren „Altona-Altstadt 56 Fischereihafen“ nun im westlichen Bereich in die heiße Phase über. Die ehemaligen Kühlhallen an der Großen Elbstraße sind bereits abgerissen, und auch das Grundstück neben dem Musik-Club wird derzeit geräumt.

Geplant sind mehrere vier- bis achtgeschossige Gebäude, die Ateliers, Wohnungen und vor allem eine 7000 Quadratmeter große Markthalle mit gastronomischem Angebot beherbergen werden. Es sollen insgesamt etwa 15.000 Quadratmeter Büro- und Gewerbefläche, 10.000 Quadratmeter Wohnen (davon 30 Prozent sozialgefördeter Wohnraum) entstehen.

So stellen sich die Planer die neue Markthalle an der Großen Elbstraße am Fischereihafen vor. Die Dächer sollen begrünt und begehbar sein.
So stellen sich die Planer die neue Markthalle an der Großen Elbstraße am Fischereihafen vor. Die Dächer sollen begrünt und begehbar sein. © HHLA | HHLA

Kultclub am Hafen: Betreiber blickt mit gemischten Gefühlen auf Bauprojekte

Michael Beckmann, Betreiber des Hafenbahnhofs, und sein Geschäftsführer Felix Sigmund sehen den vielen Veränderungen im Umfeld mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits: „Es bringt neues Leben für das Gebiet“, sagt Beckmann, der auf positive Auswirkungen auf seinen Hafenbahnhof durch mehr Besucher hofft. Anderseits sorgt er sich auch darum, wie der Musikclub in der Nachbarschaft ankommt. „Ich will nicht sehenden Auges in den Lärmkonflikt laufen.“

Bereits heute ist er regelmäßig mit einem Lärmmessegerät auf der Straße unterwegs, überprüft, wie viel Schall nach draußen dringt. „Wir möchten in Harmonie mit unseren Nachbarn leben“, sagt der 60-Jährige. Letztlich ist es aber auch eine Konsequenz aus den Erfahrungen der Vergangenheit, die auch seine Kollegen gemacht haben. „Wir sind seit der ersten Stunde Mitglied im Clubkombinat, tauschen uns mit den anderen Kulturschaffenden aus.“ An der Demo zum Erhalt des Molotow beteiligten sie sich natürlich. Man hält zusammen.

„In den vergangenen Jahren hat sich die Situation verschärft“, beobachtet Beckmann. Früher habe es die Probleme so nicht gegeben. Da hätten auch mal ein paar Leute vor einer Bar stehen und laut sein können. Nun sei jeder Betreiber dazu angehalten, darauf zu achten, keinen Lärm zu verursachen. „Hier hängt viel Herzblut dran“, sagt der Ottensener, der mehr zufällig zum Clubbetreiber wurde.

Hafen Hamburg: Im Mai feiert der Hafenbahnhof sein 18-jähriges Bestehen

Im Mai wird der Club volljährig. 2005 übernahm Beckmann mit einem Freund das Gebäude, das im Besitz der Stadt ist und damals mehrere Jahre leer gestanden hatte. „Es war alles Schrott“, erinnert sich der Betreiber an die Anfangszeit. Ein Jahr sanierten sie alles, viel in Eigenleistung. Es floss mehr Geld in das Projekt als geplant. Ursprünglich wollten sie nur am Wochenende für Partys öffnen. Doch es brauchte mehr Einnahmen, also öffneten sie auch unter der Woche, und schnell kamen ganz andere Formate hinzu.

In dem Lokal gibt es Lesungen, jeden Montag Jazz-Abende, Konzerte, Tanzveranstaltungen, und am Sonntagnachmittag ist der Terrassenbereich des Hafenbahnhofs auch Anlaufstelle für Senioren und Touristen zu Kaffee und Kuchen. Zu den After-Work-Partys kommen Mitarbeiter der neu angesiedelten Firmen am Fischmarkt in Anzug und Schlips, genauso wie Punks aus Altona.

„So etwas wie das hier gibt es in Hamburg kein zweites Mal“, sagt Beckmann auch mit Blick auf die Einzellage an der Elbe.

Grüne in Altona setzen sich für Erhalt von Hafenbahnhof ein

Die Grünen sehen das ähnlich und wollen, dass es so bleibt. „Der Hafenbahnhof ist seit Langem ein beliebter Club in Altona. Um seine Wirtschaftlichkeit trotz der kommenden Bebauung zu sichern und um Konflikten vorzubeugen, wollen wir jetzt Vorkehrungen treffen“, sagt Christian Trede (Grüne). „Dazu zählt, die Wohnungen so zu planen, dass es zu keiner Störung der Nachtruhe kommen kann.“

Außerdem soll in den Grundbüchern die privatrechtliche Duldungsverpflichtung und im noch zu vereinbarenden öffentlich-rechtlichen Vertrag die Nutzung des Hafenbahnhofs als Musikclub mit Konzertveranstaltungen eingetragen werden.

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Aber auch der Club soll leiser werden. Für Schallschutzmaßnahmen sollen dem Betreiber Mittel aus dem Sanierungsfonds unkompliziert und zeitnah zukommen. Zudem soll er eine Planungssicherheit erhalten. Die Mehrheit der Bezirkspolitiker fordert nun, dass die Sprinkenhof GmbH als Vermieter einen langfristigen Vertrag beschließt. Derzeit könnte ihm mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Beckmann selbst wünscht sich einen Zeithorizont von fünf Jahren, gern mit Verlängerungsoption.