Hamburg. Im Hamburger Westen startet eine ungewöhnliche Dienstleistung. Wer sich an dem Projekt beteiligt und wie es funktionieren soll.

Dirk Schroeder steht in seinem Geschäft Topf & Deckel zwischen Pfannen, Dünger und Wasserkochern. „Wir haben hier in Rissen viele ältere Leute“, weiß der Inhaber des Ladens, immerhin versorgt er den Stadtteil seit fast 30 Jahren mit Haushaltswaren. Wenn die Kunden Vogelhäuser oder Wäscheständer kaufen, bringe er die Dinge ein paarmal in der Woche persönlich vor deren Haustür, mit dem eigenen Pkw.

Doch jetzt bekommt Schroeder Unterstützung beim Ausliefern: In Rissen transportiert nun auch der Linienbus Waren. In Hamburgs Westen werden Busse damit zusätzlich zu Lieferfahrzeugen.

Verkehr Hamburg: Linienbus liefert die Einkäufe – kostenlos

Die Idee des Projekts „Rissen bringt’s“: Bürgerinnen und Bürger können Einkäufe aus Geschäften per Buslinie 388 zu ihrer nächstgelegenen Bushaltestelle liefern lassen. So soll auch der lokale Einzelhandel gegenüber der Konkurrenz aus dem Internet gestärkt werden.

Hinter dem Projekt stehen das Bezirksamt Altona, die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), die auch weitere Anstrengungen für die Nachhaltigkeit unternehmen, sowie weitere Projektpartner.

Lieferservice in Hamburg-Rissen: Bezahlt werden die Produkte vor Ort oder auf Rechnung

Was ist genau geplant? Die Rissener Dorfkutsche, wie die HVV-Linie 388 im Stadtteil genannt wird, transportiert ab dem 28. Oktober nicht mehr nur Fahrgäste, sondern jeweils dienstags und sonnabends zwischen zehn und 13 Uhr zusätzlich auch die Einkäufe der Rissener aus einigen Einzelhandelsgeschäften – und zwar kostenlos.

Stefanie von Berg, Bezirksamtsleiterin in Altona (l.), stellte mit Corinna Nienstedt von der Hamburger Senatskanzlei und VHH-Geschäftsführer Lorenz Kasch den neuen Warentransport „Rissen bringt‘s“ vor.
Stefanie von Berg, Bezirksamtsleiterin in Altona (l.), stellte mit Corinna Nienstedt von der Hamburger Senatskanzlei und VHH-Geschäftsführer Lorenz Kasch den neuen Warentransport „Rissen bringt‘s“ vor. © Funke Foto Services | Roland Magunia

Interessierte suchen sich vor Ort im Geschäft ihre Ware aus oder bestellen diese telefonisch oder per E-Mail, wenn dies vom Shop angeboten wird. Bezahlt werden die Produkte direkt vor Ort oder auf Rechnung.

Im Rahmen des Einkaufs hinterlegen die Käuferinnen und Käufer ihre Telefonnummer, damit sie im weiteren Liefervorgang kontaktiert werden können. Nach dem Einkauf wird die Ware im Geschäft verpackt.

Diverse Geschäfte in Hamburg-Rissen haben sich angeschlossen

Das jeweilige Geschäft informiert daraufhin Mitarbeitende der VHH, die bei „Rissen bringt’s“ dann die weiteren Schritte übernehmen: Sie holen die Sendungen in den Geschäften ab, sortieren sie und besprechen mit den Kunden die Abholzeit an der Wunschhaltestelle. Die Mitarbeitenden übergeben an der Haltestelle schließlich auch die Bestellung.

Teilnehmende Geschäfte sind neben Topf & Deckel beispielsweise ein Buchladen, ein Reinigungsservice, der lokale Rewe-Markt und eine Apotheke. Hier stößt der Service allerdings auch an Grenzen. Bei der Apotheke heißt es, Medikamente seien ausgeschlossen, da es dafür Sonderregeln gebe. „Bei diesem Projekt nehme ich nur mit dem Randsortiment teil“, räumt Stefan Moog ein, der Inhaber der Alten Apotheke.

VHH-Auszubildende holen die Waren bei den Läden ab

Auch bei Rewe sind nicht alle Produkte lieferbar. Denn zu kühlende Ware könne nicht transportiert werden, sagt Joshua Wegner, Azubi zur Fachkraft im Fahrbetrieb der VHH, der die neue Dienstleistung mit zwei Kollegen organisiert.

Die drei jungen Männer, die in der Lieferzeit dienstags und sonnabends zusätzlich in den Bussen mitfahren, haben einen „Hackenporsche“, mit dem sie die Pakete bei den Läden abholen. Auch mit diesem kleinen Abholwägelchen dürfte das Projekt hin und wieder an seine Grenzen stoßen.

Hamburg-Altona: EU fördert das Pilotprojekt mit 15.000 Euro

Christiane Richter gehört zu den Rissenerinnen, die den Service in Anspruch nehmen wollen. Sie lebt in der Seniorenwohnanlage Else Voss Stiftung, praktischerweise direkt gegenüber einer der 30 Haltestellen der Buslinie. „Ich kann mir gut vorstellen, das mal für Pflanzen zu nutzen oder für Lebensmittel, wenn man sich mal nicht so fühlt.“ Doch bisher ist angesichts der beschränkten Abholkapazitäten geplant, keine sperrigen Dinge im Bus zu transportieren, sagte Joshua Wegner.

Das neue Angebot ist Teil des EU-Projekts Move21, bei dem auch andere Logistik-Vorhaben in Hamburg gefördert werden, etwa der Quartiershub an der Holstenstraße, wie Stefanie von Berg (Grüne), Bezirksamtsleiterin in Altona, mit Blick auf das Umschlagslager betonte. Die EU-Förderung für die achtwöchige Rissener Testphase beträgt 15.000 Euro.

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Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) lobt die Idee zu dem Projekt: „In Hamburg fördern wir smarten, nachhaltigen und integrierten Transport. Die Kombination von Linienbus und Warenlogistik ist eine überraschend naheliegende und einfache Idee. Vor allem aber hilft es weniger mobilen Bürgerinnen und Bürgern, sich einfacher mit Waren des täglichen Bedarfs zu versorgen“.

Verkehr Hamburg: „Rissen bringt‘s“ wird bei Erfolg im kommenden Jahr verlängert

Lorenz Kasch, Geschäftsführer der VHH, freut sich auf die Erweiterung des Angebots für die Fahrgäste: „Als VHH freuen wir uns auf das gemeinsame Projekt, weil wir nicht nur die Rissenerinnen und Rissener sicher von A nach B fahren dürfen, sondern ihnen durch den neuen Service auch ein tolles ergänzendes Angebot für Alltagserledigungen machen können“.

Sollte der Service gut angenommen werden, ist eine weitere Projektphase im kommenden Jahr denkbar.