Hamburg. Von Architekt Karl Schneider entworfenes Haus oberhalb des Falkensteiner Ufers hat bewegte Geschichte – mit bekannten Protagonisten.

Es gibt nicht viele Häuser in Hamburg, denen Autoren ein Denkmal in Buchform gesetzt haben: Der Michel, das Millerntor, die Elbphilharmonie, das Rathaus und das Chilehaus gehören dazu – und das Landhaus Michaelsen in Blankenese oberhalb des Falkensteiner Ufers. Das Kleinod im Stil des Neuen Sachlichen Bauens hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Es hätte nicht viel gefehlt und das Werk des Architekten Karl Schneider wäre vor 50 Jahren abgerissen worden.

„Durchfeuchtet und verwahrlost, mit faulenden Teppichresten und Tapetenfetzen, zerbrochenen Fenstern, scheinbar kurz vor dem Einsturz stehend, fand ich das in so herrlichen Bildern überlieferte Haus vor“, erinnert sich der Denkmalpfleger Hermann Hipp an einen Besuch 1979 in dem Buch. Der Verleger Axel Springer hatte das Haus, erbaut in den Jahren 1922/23, 1949 gekauft, aber nur kurze Zeit als „Eremitenklause“ genutzt und dann verfallen lassen. 1980 schenkte Springer es der Stadt.

Hamburg-Blankenese: Ein kleines Wunder retteten das Landhaus

Die aber war ratlos, was aus der verfallenen Schönheit werden sollte – bis die Galeristen Elke Dröscher auf den Plan trat. Auf einer Abendgesellschaft traf sie den damaligen Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Sie erzählte ihm von ihrer umfangreichen Puppensammlung, die Schweizer Freunde in ein Chateau nach Fribourg locken wollten. Dohnanyi war entsetzt, wollte die Sammlung in Hamburg halten und empfahl eine städtische Immobilie. So verschlug es Elke Dröscher mit ihrem damaligen Mann, dem berühmten Fotografen Robert Lebeck, an einem Frühlingstag 1984 auf das verwunschene Grundstück – der Beginn eines hanseatischen Denkmalwunders.

In dem Buch „Und dann der Blick ins Elbtal. Karl Schneiders Landhaus Michaelsen in Hamburg“ bringt Elke Dröscher kompetente Autoren zusammen. Klaus von Dohnanyi liefert das Vorwort mit dem schönen Satz „Eine Villa eher, als hätte hier im hohen Norden der große Palladio noch eine letzte Station gemacht.“ Frank Pieter Hesse beschreibt in seinem Kapitel die innige Verbundenheit des Hauses mit der Landschaft, Gert Kähler die „besondere Position in der Baugeschichte“.

Er erzählt, wie mit nur 850.000 Mark das Architekturbüro Gmp 1985 den Umbau auf den Weg brachte. „Wir haben das vielleicht billigste Museum schaffen können, das jüngst gebaut wurde“, sagte Volkwin Marg damals. Die Kosten trug Unternehmerin und Galeristen Dröscher und bekam im Gegenzug das Nutzungsrecht der Immobilie. Um das Abenteuer zu stemmen, belieh sie ihr eigenes Haus „bis unters Dach“. Heute sagt Dröscher: „Im nächsten Leben werde ich Jura studieren, ich hatte die Pflichten, aber die Stadt die Rechte“, und zitiert sogleich Edith Piaf: „Ich bereue nichts.“

Das Buch erzählt auch von Bewohnern der Villa – wie etwa Axel Springer

Warum auch? Die Ruine am Grotiusweg 79 hat sich in ein Denkmal verwandelt. Liebevoll beschreibt der ehemalige Abendblatt-Autor Matthias Gretzschel im Buch die Lebenswege der Bewohner. „Das Haus wird geprägt vom Zeitgeist und den Menschen“, sagt Dröscher. „Das Buch ist nicht nur für Architekturliebhaber, sondern für alle Kunstinteressierten. Es dürfte das erste Mal sein, dass in einem Architekturbuch die Menschen so in den Mittelpunkt rücken.“

Die Bauherrn der Zwanzigerjahre, Ite und Hermann Michaelsen, wurden mit ihrem modernen Haus nie richtig glücklich. Der Unternehmer nahm sich 1931 hoch verschuldet das Leben, seine Frau Ite siedelte schon 1928 ins Tessin über. Danach zog der Maler Fritz Kronenberg mit seiner Frau in das Haus ein und verwandelte es in einen Künstlertreff. 1949 kaufte der Verleger Axel Springer, damals 37 Jahre alt, die Villa.

Der spektakuläre Blick aus dem Rundfenster auf die Elbe, aufgenommen 1925.
Der spektakuläre Blick aus dem Rundfenster auf die Elbe, aufgenommen 1925. © Album Familie Werdermann | Album Familie Werdermann

Allerdings, schreibt Gretzschel, sei es Springer mehr um den Garten und den Blick gegangen, mit der Ästhetik des Neuen Bauens konnte er nicht viel anfangen. So riss er das Stallgebäude ab und baute an einer Seite neue Fenster ein. Springer selbst lebte nur kurz im Landhaus Michaelsen, anders als sein Sohn Axel junior. Nach dessen Freitod schenkte der Verleger das Haus der Stadt – gegen eine üppige Spendenbescheinigung. Zuvor hatte er mehrere Abriss- und Umbauanträge gestellt, die umgehend genehmigt wurden. Es passierte aber nichts, die seit 1970 leerstehende Villa wurde zum Abenteuerspielplatz der Jugend.

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„Damals wollte es keiner erhalten, alle sagten nur: abreißen. Aber ein kleiner Schutzengel schwebt über dem Haus“, sagt Retterin Elke Dröscher. Binnen neun Monaten verwandelte sie 1985 und 1986 eine Ruine in ein offenes Haus und reanimierte einen „inspirierenden Hamburger Kulturort“.

1988 wurde es in die Hamburger Denkmalliste eingetragen, inzwischen ist auch die Hermann Reemtsma Stiftung als Förderer mit im Boot. Dröschers Ziel ist klar: „Das Haus soll mich noch lange überleben“, sagt die 82-Jährige. Mit dem neuen Buch ist das noch wahrscheinlicher geworden.

Das Buch: ‚Und dann der Blick ins Elbtal‘ - Karl Schneiders Landhaus Michaelsen in Hamburg“ ist erschienen im Dölling und Galitz Verlag und kostet 32 Euro Foto: Dölling und Galitz
Das Buch: ‚Und dann der Blick ins Elbtal‘ - Karl Schneiders Landhaus Michaelsen in Hamburg“ ist erschienen im Dölling und Galitz Verlag und kostet 32 Euro Foto: Dölling und Galitz © Dölling u. Galitz Verlag | Dölling u. Galitz Verlag