Hamburg. Bombe war mit berüchtigtem Langzeitzünder bestückt. Das sorgte für 13 Stunden Anspannung. Wie die Entschärfung im Detail ablief.

13 Stunden Anspannung. Davon sechs Stunden „heiße Phase“: Die Entschärfung der britischen, 500 Pfund schweren Fliegerbombe an der Bartelsstraße im Schanzenviertel war einer der nervenaufreibendsten und schwierigsten Entschärfungseinsätze der vergangenen Jahrzehnte in Hamburg.

Denn die Bombe war mit einem der berüchtigten Langzeitzünder Nr. 37 bestückt. Am Ende konnten Sprengmeister Ronald Weiler und sein Team die Bombe, die seit dem Zweiten Weltkrieg dort im Boden lag, nur mit einer gezielten und nicht risikolosen Sprengung unschädlich machen.

Bombe Hamburg: Entschärfung in der Schanze war nervenaufreibend

Schon der Baggerführer, der am Montagnachmittag den Blindgänger in einer Baugrube entdeckte, war „tough“. Er hatte den Blindgänger so schnell bemerkt, dass die Bombe nicht bewegt wurde. Schon das war ein Riesenvorteil. Bomben mit Langzeitzünder sind besonders perfide „Killer“.

Das Konzept: Wenn ein Luftangriff vorbei ist und die Feuer gelöscht sowie Menschen gerettet werden, sollen sie detonieren, um Tod und Verunsicherung zu bringen. Beim Zünder Nr. 37 dauert es zwei bis 48 Stunden ab dem Abwurf, bis die Bombe detoniert.

Bombe in der Bartelsstraße steckte verkehrt herum im Boden

Die Technik: Das Flügelrad am Heck der Bombe setzt sich beim Abwurf in Bewegung. Eine Ampulle mit Aceton wird angebrochen. Das Lösungsmittel läuft auf Zelluloidplättchen, die einen Schlagbolzen halten. Sind sie zerfressen, wird er freigegeben, und die Bombe detoniert.

Die 500 Pfund schwere Bombe, die in der Bartelsstraße einschlug, steckte verkehrt herum im Boden. Genauer gesagt im Lössboden, der in sieben bis acht Metern Tiefe typisch für Hamburg ist. Dieser wirkte wie ein Schild.

Dringt eine Bombe so weit ins Erdreich, wird sie abgelenkt. Sie dreht sich unter der Erde und liegt dann mit der Spitze nach oben im Boden. Genau so wie in der Bartelsstraße. Damals war das ein Glücksfall. Das Aceton lief in die falsche Richtung, zersetzte nicht das Zelluloid und explodierte nicht.

Schanzenviertel: Blindgänger durfte auf keinen Fall bewegt werden

Für Sprengmeister Weiler, seinen Kollegen André Kowalzik sowie die Entschärfer Daniel Bäcker und Martin Kittelmann war das ein Problem. Der Blindgänger durfte auf keinen Fall bewegt werden. „Dadurch hätte der Zündvorgang wieder in Gang gesetzt werden können, ohne dass jemand wusste, wie weit die Plättchen bereits zerfressen sind und wann es zu Explosion kommt“, so Feuerwehrsprecher Jan Ole Unger.

Die erste Idee war, die im Boden freigelegte, aber in ihrer Lage stabilisierte Bombe mit dem Wasserschneidegerät unschädlich zu machen. Es wird mit Magneten auf der Bombenhülle angebracht und schneidet mit einem Strahl aus Sand und Wasser mit 2600 bar den Boden samt Zündmechanismus aus der Bombe.

Entschärfung mit Wasserschneidegerät funktionierte nicht

Seit 2012 wird dieses Verfahren, bei dem das Gerät aus einem gepanzerten Container gesteuert wird, in Hamburg genutzt. An der Bartelsstraße funktionierte es jedoch nicht. Sprengmeister Weiler entschied sich für eine ebenso effektive, aber riskantere Methode.

Der Boden mit dem Zünder sollte durch ein „sprengtechnisches Verfahren“ abgesprengt werden. Geht dabei etwas schief, kann die Bombe sofort detonieren – oder der Zündvorgang wieder einsetzen und es später zur Explosion kommen. Deswegen wurden in der Schanze noch spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen. So wurde die Bombe mit Wasserkissen abgedeckt, die mehrere Tausend Liter fassen, um die Wirkung einer Detonation zu mindern.

Hamburg: Gezielte Sprengung der Bombe im Schanzenviertel

Es dämmerte noch nicht ganz der Morgen, als ein erster Knall durch das Schanzenviertel hallte. Die gezielte Sprengung war ausgelöst worden. Doch damit war für den Sprengmeister zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, ob es funktioniert hatte. Erst eine Prüfung ergab, dass der Vorgang erfolgreich war und somit der Zünder von der Bombe getrennt werden konnte.

Gegen 4.24 Uhr dann ein zweiter Knall. Der Detonator mit dem Sprengstoff, der die Bombe zur Explosion bringen sollte, wurde ebenfalls vor Ort gesprengt. Damit war die Entschärfung beendet und die etwa 5000 Menschen, die rund um den Fundort leben, konnten zurück in ihre Wohnungen.

Heikle Entschärfung 2016 in Hamburg-Eppendorf

Anfang 2016 hatte es in Eppendorf ebenfalls eine besonders heikle Entschärfung gegeben. Damals war die mit einem Langzeitzünder bestückte, 500 Pfund schwere Bombe einem Baggerfahrer aus der Schaufel gefallen. Niemand wusste, ob und wann sie explodieren sollte. Sprengmeister Peter Bodes „standen die Schweißperlen auf der Stirn“, erinnert sich ein Kollege, der damals dabei war.

Noch brisanter war 2004 die Entschärfung einer britischen MK I–IV, eine mit 325 Kilo Trinitrotoluol (TNT) gefüllte Wassermine mit einem komplizierten Zündsystem, das auf Magnetfelder stählerner Schiffe reagieren soll. Dazu ist eine Sprengfalle eingebaut, die eine Entschärfung unmöglich machen sollte.

Bombe in Hamburg: Entschärfung in Moorburg ebenfalls kompliziert

Als Blindgänger entdeckt, werden diese Luftminen normalerweise gesprengt. In Moorburg ging das jedoch nicht. In der Nähe des Fundorts verläuft eine Eisenbahnlinie, über die Kohle für wichtige Industrieanlagen transportiert wurde. Eine Sprengung im Boden hätte die Gleise beschädigen können.

Damals entschärften Sprengmeister Peter Voß und sein Team den Blindgänger in einer Stunde und zehn Minuten. Danach bekamen die Sprengmeister Glückwünsche von Kollegen aus aller Welt.