Hamburg. Kein entsprechender Parkplatz, Putzmittel in einziger Behindertenkabine: Worum es geht und was Betreiber Bäderland dazu sagt.

Annette Pauli ist eine fröhliche, vitale Frau. Vor 58 Jahren erkrankte sie schwer an Kinderlähmung, aber unterkriegen ließ sich die Halstenbekerin, die mittlerweile auf den Rollstuhl angewiesen ist, nie.

„Ich war eines der letzten Opfer, bevor die flächendeckende Polio-Impfung kam“, erzählt sie so gelassen, als ginge es um den aktuellen Wetterbericht. Pauli kämpft seit Jahrzehnten unverdrossen gegen eine massive Gehschwäche an: Schwimmen in Stellingen und Blankenese, Tanzen, Radfahren – das war für sie immer einerseits Sport und Spaß, andererseits Fitnesstraining, um mobil zu bleiben.

Hamburg-Blankenese: Nicht barrierefrei? Rollstuhlfahrerin kritisiert Simrockbad

Auch heute noch unternimmt sie mit Ehemann Manfred längere Radtouren (als Tandem), und zweimal in der Woche steht bei beiden Schwimmen auf dem Programm. Dass Annette Pauli seit einigen Jahren einen Rollstuhl benötigt, sollte dabei kein Problem sein. Ist es aber.

Zwei Schwimmbäder von Bäderland besucht das Ehepaar wöchentlich. Mit dem Elbgaubad in Stellingen sind beide zufrieden, mit dem Blankeneser Simrockbad überhaupt nicht.

Schwimmbad: Es gibt keinen Behindertenparkplatz

Das Abendblatt traf die Paulis an der Simrockstraße, um sich ihre Sicht der Dinge schildern zu lassen. Mit dem Wort „behindert“ (zu 80 Prozent) hat Annette Pauli keine Probleme – „es ist wie es ist“, sagt sie gelassen. Mithilfe ihres Mannes hievt sie sich vom Auto direkt in den Rollstuhl, so wie sie es schon lange gewöhnt ist.

Doch die Schwierigkeiten fangen bereits beim Parkplatz an. Hinter der Schranke sind, anders als beim Elbgaubad, keine separaten Behindertenparkplätze ausgewiesen. „Mal hatten wir in den vergangenen Jahren Glück, mal nicht“, erzählen die Paulis. Immer wieder mussten sie in abgelegenen Seitenstraßen parken, um das Schwimmbad dann auf einigen Umwegen zu erreichen.

Simrockbad: Für Behinderte gibt es nur eine Umkleidekabine

Da Annette Pauli regelmäßig Schwimmkurse gebucht hat, sind Verspätungen für sie und andere Teilnehmer besonders ärgerlich. Das Zuspätkommen liegt aber nicht nur an dem fehlenden Parkplatz, wie sich zeigt. Denn das wohl größte Ärgernis kommt erst kurz hinter dem Eingang.

Im Simrockbad gibt es, wiederum anders als im Elbgaubad, nur eine rollstuhlgerechte Umkleidekabine und einen Baderollstuhl. Immer wieder komme es vor, so berichten die Paulis, dass zu den Kursen mehrere Rollstuhlfahrerinnen oder -fahrer gleichzeitig eintreffen, die dann geduldig warten müssen, bis die Kabine wieder frei ist.

Schwimmen in Blankenese: Eine Reinigungsmaschine in der Umkleidekabine

Bis vor Kurzem waren, kaum zu glauben, auch noch Putzmittel und eine Reinigungsmaschine in der Kabine abgestellt, das wurde aber – nach mehrmaligen Beschwerden der Paulis und anderer Badegäste – geändert. „Unangenehm wird es, wenn ich im Wasser warten muss, weil die Kabine noch nicht frei ist“, berichtet Annette Pauli, „nach 20 zusätzlichen, unfreiwilligen Minuten bin ich manchmal ganz schön durchgefroren.“

Wenn ihr Mann sie dann endlich mit dem Sonderrollstuhl zum Duschen geschoben hatte, wartete dort der nächste Ärger: Die Duschstange war bis zum letzten Besuch der beiden viel zu hoch angebracht, der Duschkopf ließ sich nicht weit genug nach unten ziehen. Das alles sind vermeidbare Problemfelder, von denen die meisten Schwimmbadbenutzer gar nichts mitbekommen. Den ohnehin nicht leichten Alltag von Menschen wie Annette Pauli erschweren sie aber zusätzlich.

Bäderland rühmt auf der Website „Abbau von Hürden und Barrieren“

Das Unternehmen Bäderland rühmt sich auf seiner Website: „Bäderland unterstützt und fördert den Ausbau barrierefreier Zugänge und Nutzungsmöglichkeiten an den eigenen Schwimmbadstandorten“, heißt es dort unter anderem.

Und: „Der Abbau von Hürden und Barrieren ist ein Kerninteresse des Unternehmens gemäß seinem Auftrag, ein für alle Hamburgerinnen und Hamburger gleichermaßen gut erreichbares, zugängliches und nutzbares Wasser-, Sport- und Freizeitangebot zu erhalten und zu entwickeln.“

Schon vor drei Jahren habe sie sich erstmals an Bäderland gewandt, sagt Annette Pauli. Im vergangenen Mai schrieb sie erneut einen Brief. Darin listete sie alle Kritikpunkte noch einmal auf und bat höflich um Erfüllung ihrer „Wunschliste“.

Bäderland verspricht Abhilfe – aber nicht bei allen Beschwerdepunkten

Bäderland-Sprecher Michael Dietel reagiert schnell und aufgeschlossen auf Annette Paulis Kritik. „Ich habe Frau Pauli schon geschrieben“, so Dietel auf Abendblatt-Nachfrage. „Ihr Liste wird bereits Punkt für Punkt abgearbeitet“, verspricht er. „Der Parkplatz ist beauftragt, Rollstühle sind bestellt, der Duschkopf wurde bereits umgearbeitet.“

Annette und Manfred Pauli sind darüber zwar erfreut („auch wenn das ja alles ganz schön lange gedauert hat“), aber vollends zufrieden machen sie die Bäderland-Aktivitäten auch nicht. Denn das Problem der einzigen Umkleidekabine wird laut Bäderland bestehen bleiben.

Blankeneser Schwimmbad: Zusätzliche Umkleidekabine kommt vorerst nicht

Michael Dietels Begründung: „Baulich lässt sich am Gebäude erst mal nichts ändern.“ Bei künftigen Modernisierungen werde das Thema aber weiterhin „eine große Rolle“ spielen. Im Sinne der Inklusion würden dann aber keine separaten Umkleiden mehr geschaffen.

„Es geht ja um Inklusion, also alle gemeinsam“, sagt Dietel, „die Stoßrichtung ist also vielmehr, die Umkleiden insgesamt für alle nutzbar zu machen.“

Schwimmbad in Blankenese wurde erst vor wenigen Jahren umgebaut

Annette Pauli kann darüber nur mit dem Kopf schütteln. Sie erinnert daran, dass das Schwimmbad an der Simrockstraße erst vor wenigen Jahren aufwendig neu gestaltet wurde. „Also manchmal hat man den Eindruck, dass hier eine Hand nicht weiß, was die andere tut“, sagt Manfred Pauli.

Annette Pauli will nicht als „egoistische Meckertante“ rüberkommen, wie sie sagt. Ihr geht es darum, auf die vielfältigen Alltagsprobleme von behinderten Menschen hinzuweisen, die durch eine bessere Planung zu vermeiden gewesen wären. „Ich könnte sehr viele solcher Beispiele nennen“, sagt Pauli. „In Hamburg wird zu vieles am grünen Tisch entschieden. Warum fragt man nicht die Menschen, die es betrifft? Menschen wie uns.“