Hamburg. Die Fabrikhalle an der Gaußstraße soll abgerissen werden, geplant sind Neubauten. Was nun aus dem beliebten Dauerflohmarkt wird.

Die Tage des Hallenflohmarkts Vintage Kaufhaus in Ottensen sind gezählt. Wie die Betreiberin Sylvia Heyer in einem Instagram-Post verkündete, wird die industriecharmante Fabrikhalle, in der ihre Kunden – oder besser: Gäste – bisher an fünf Tagen in der Woche auf 200 Quadratmetern stöbern konnten, in Kürze abgerissen. An ihrer Stelle sollen Heyer zufolge neue Luxusimmobilien für den Bezirk Hamburg-Altona entstehen.

Für Heyer zerbricht damit ein Traum. Denn für die 57-Jährige ist das Vintage Kaufhaus, das sie vor rund zwei Jahren eröffnete, die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches gewesen. Jetzt, da der Dauerflohmarkt zum Auszug aus der Fabrikhalle gezwungen ist, sucht sie eine neue Fläche, auf der ihre Gäste suchen und finden können.

Ottensen: Vintage Kaufhaus – „In Hamburg wird so viel plattgemacht“

„Es fällt mir echt schwer, hier wegzugehen“, sagt die Betreiberin. „Nicht nur wegen des Vintage Kaufhauses – in Hamburg wird so viel plattgemacht.“ Auch der Metallbauer, quasi ihr Nachbar, der ihr einen Teil seiner Halle untervermietet, muss sich einen neuen Arbeitsort suchen. Seit mehr als 25 Jahren hatte er in der Halle in Ottensen gewerkelt.

Stöbern mit Industriecharme: Das Vintage Kaufhaus in der Gaußstraße in Ottensen beherbergt ein buntes Sammelsurium an Kleidung, Möbeln und Dekoobjekten. „Ich verkaufe eigentlich alles“, sagt die Betreiberin.
Stöbern mit Industriecharme: Das Vintage Kaufhaus in der Gaußstraße in Ottensen beherbergt ein buntes Sammelsurium an Kleidung, Möbeln und Dekoobjekten. „Ich verkaufe eigentlich alles“, sagt die Betreiberin. © Anika Würz

Davon, dass die Hallen abgerissen werden, habe Heyer vor rund einem halben Jahr erfahren. Der Mietvertrag des Metallbauers sei plötzlich einfach nicht mehr verlängert worden. Wann hier Neubauten entstehen sollen, weiß sie nicht genau.

Ottensen: Neue Immobilien für gewerbliche Nutzung geplant

Um reine Wohngebäude wird es sich dabei jedenfalls nicht handeln, da sich das Grundstück in einem Gewerbegebiet befindet. An der Stelle Wohngebäude zu errichten, sei grundsätzlich nicht zulässig, teilt André Stark, Sprecher der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde, mit. Nur ausnahmsweise können hier Wohnungen, etwa für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen oder Betriebsinhaber, zugelassen werden, besagt die Baunutzungsverordnung.

Der Eigentümer des Grundstücks, ein privater Bauherr, habe dementsprechend einen Bauantrag für einen vorwiegend gewerblich genutzten Neubau mit einem untergeordneten Anteil an Betriebswohnungen gestellt, heißt es aus der Stadtentwicklungsbehörde. Allerdings: Jener Bauantrag sei noch nicht beschieden.

Hamburg-Altona: Vintage Kaufhaus nur noch bis 24. Juni geöffnet

Sylvia Heyer vom Vintage Kaufhaus kann das egal sein – sie muss ihre Sachen so oder so packen. Secondhand-Mode, Dekoobjekte, Designklassiker, Antiquitäten – Nützliches, Schönes und schönes Nützliches aus einer Handvoll Jahrzehnten gibt es daher noch bis zum 24. Juni dienstags bis sonnabends von 11 bis 19 Uhr in der Gaußstraße 118 zu entdecken.

Die Waren, die sie verkauft, stellen andere bereit, zum Beispiel, weil sie langjährige Sammlungen oder Haushalte aufgelöst haben. 99 Euro kostet die Miete eines Standes im Monat, zusätzlich erhebt Heyer 19 Prozent Verkaufsprovision. Die eigentlichen Verkäufer müssen schließlich nicht vor Ort sein, um ihre Lampenschirme, Kameraobjektive oder Schallplatten an den Mann und die Frau zu bringen – das übernimmt Heyer. Dieses Konzept eines Dauerhallen-Flohmarkts habe sie in Dänemark entdeckt.

Flohmarkt in Hamburg – für Kunden ist Nachhaltigkeit besonders wichtig

„Seit ich 15 Jahre alt bin, bin ich Vintage unterwegs“, sagt die Betreiberin, die seitdem fast nichts mehr neu gekauft hat, sondern gerade in puncto Kleidung stets auf Secondhandware setzt. Ja, sogar die Halle für ihr nunmehr auf der Kippe stehendes Vintage Kaufhaus hat sie 2021 bei eBay entdeckt.

Für sie macht die Flohmarktfaszination neben der Stöberei vor allem der Nachhaltigkeitsgedanke aus. „Die Waren im Vintage Kaufhaus verbrauchen keine Ressourcen mehr“, sagt sie. Ähnlich sehe es ihr Publikum, denn in erster Linie „individuelle Menschen, die Lust haben auf einen Style und auf die Nachhaltigkeit“, fänden ihren Weg ins Vintage Kaufhaus.

Vintage Kaufhaus in Ottensen: Mode aus den 80ern ist voll im Trend

Was sie dort finden? „Ich verkaufe eigentlich alles“, sagt Heyer, „und ich habe jeden Tag neue Ware.“ Lediglich ein paar Gegenstände fänden kaum Abnehmer, Omas Geschirr mit Goldrand und Blümchendekor beispielsweise. Derzeit seien nämlich klare Linien à la Bauhaus eher en vogue. Was die niedlichen Millefleurs-Muster der Sammeltassen betrifft, da weiß Heyer aus Erfahrung: „Das kommt aber auf jeden Fall wieder.“

Die aktuell absoluten Renner im Vintage Kaufhaus seien Gegenstände aus Muranoglas und Möbel im skandinavischen Stil. Was Mode und Accessoires angeht, „da gibt’s wieder viel 80er“, sagt die Betreiberin.

Mancher Verkäufer im Vintage Kaufhaus hinterlässt eine herzerwärmende, zum Schmunzeln anregende Notiz an seinen Artikeln.
Mancher Verkäufer im Vintage Kaufhaus hinterlässt eine herzerwärmende, zum Schmunzeln anregende Notiz an seinen Artikeln. © Anika Würz

Vintage Kaufhaus sucht neue Verkaufsfläche in Ottensen

Von Juli an sattelt Heyer vorerst auf ein reguläres Flohmarktgeschäft um. Bis dahin holen die Standmieter ihre Sachen aus dem jetzigen Kaufhaus ab. Anschließend bietet Heyer Artikel aus ihrem eigenen Fundus bei den einschlägigen Märkten an, etwa auf dem Nachtflohmarkt in der Rindermarkthalle auf St. Pauli, am Museum der Arbeit in Barmbek, am Eppendorfer Lehmweg sowie auf dem Großneumarkt. Außerdem ist sie auf ebay aktiv.

Nebenbei läuft die Suche nach einem neuen Fleckchen für das Vintage Kaufhaus. 70 bis 200 Quadratmeter groß sollte die Verkaufsfläche im besten Fall sein und sich wieder in Ottensen befinden. Denn hier passe das Vintage Kaufhaus einfach ins Stadtbild und könne auf Stamm- wie Laufkundschaft zählen. „Wenn ich aus Ottensen weggehe, dann fange ich wieder von vorne an“, sagt Heyer.