Hamburg. Neue Daten zeigen erstmals das Ausmaß. Bezirkspolitiker will „gegen Zerstörung kämpfen“. Welche Straßen noch umgestaltet werden.

Viele Hamburgerinnen und Hamburger nehmen es nur am Rande wahr oder freuen sich darüber, andere kämpfen (meist vergeblich) dagegen an: In der Stadt verschwindet das letzte Kopfsteinpflaster immer schneller aus dem Stadtbild.

Die Antworten auf eine Anfrage des Bezirkspolitikers Patrick Müller-Constantin (SPD) aus Altona zeigen nun – schlaglichtartig – das ganze Ausmaß im Bezirk.

Hamburg-Altona: Historisches Kopfsteinpflaster verschwindet aus Stadtbild

„Ich werde das nicht länger hinnehmen und ab sofort gegen diese Zerstörung kämpfen“, sagt Müller-Constantin. Der Bezirkspolitiker war kürzlich im Zusammenhang mit den Umbauarbeiten an der Gerichtstraße auf das Thema gestoßen.

Wie berichtet, wird dort das historische Kopfsteinpflaster trotz massiver Anwohnerproteste weitgehend entfernt, lediglich in Form von Parkstreifen bleiben einige Quadratmeter erhalten.

Bezirksamt kann Fragen zu Kopfsteinpflaster nur lückenhaft beantworten

Da im Bezirksamt Altona keine Statistiken zum Thema geführt werden, konnten Müller-Constantins Fragen gar nicht oder nur sehr lückenhaft beantwortet werden.

Der Politiker hatte gezielt nach Straßen gefragt, in denen das Kopfsteinpflaster in den vergangenen Jahren durch Asphalt ersetzt wurde. Meistens geschah das im Zusammenhang mit dem Bau von Fahrradstraßen beziehungsweise Velorouten.

Von Ottensen bis Nienstedten: In diesen Straßen wurde das alte Pflaster entfernt

Das Bezirksamt nennt für den Zeitraum von 2019 bis heute in Altona, Nienstedten und Ottensen folgende Straßen: Große Rainstraße, Bahrenfelder Straße (bis Kleine Rainstraße), Chemnitzstraße (einzelne Flächen), Jürgensallee/Kanzleistraße, Eulenstraße, Bahrenfelder Straße (bis Rothestraße) und die Haubachstraße (Theodor Haubach Schule bis Holstenstraße).

Alternativ kann das Kopfsteinpflaster auch abgeschliffen und damit „plan“ gemacht werden, allerdings wird dieses Verfahren mutmaßlich seltener angewandt. Das Amt nennt hier nur zwei Beispiele, nämlich einzelne Abschnitte der Großen Elbstraße und der Zeißstraße.

Politiker kritisiert „schleichendes Verschwinden“ des Kopfsteinpflasters

Mit deutlichen Worten kritisiert Müller-Constantin, dass im Bezirk zu den Kopfsteinpflaster-Straßen keine statistischen Daten zur Verfügung stehen. „Ich finde das unmöglich“, so Müller-Constantin, „denn so geschieht das Verschwinden schleichend.“

Und weiter: „Wir wiederholen gerade die architektonischen Fehler der 1960er-Jahre. Damals verschwand vieles sang- und klanglos, und hinterher war das Bedauern groß.“ Ähnlich kritisch hatte sich auch der Denkmalverein kürzlich zum Thema geäußert.

Unklar ist auch, bei welchen Straßen das Kopfsteinpflaster in den kommenden Jahren herausgerissen oder abgeschliffen werden soll.

Recherche zeigt: Weitere Kopfsteinpflaster-Straßen stehen auf dem Prüfstand

Das Amt antwortete auf die entsprechende Anfrage lediglich: „Hierüber wird keine Statistik geführt. Die Materialwahl in den Projekten wird immer im Einzelfall abgestimmt und steht erst nach Abschluss des Planverschickungsverfahrens (…) fest.“

Müller-Constantin hat nun selbst recherchiert und in Erfahrung gebracht, dass aktuell das Kopfsteinpflaster der Waidmannstraße in Altona-Nord und der Leverkusenstraße in Bahrenfeld gefährdet seien.

Auch Kopfsteinpflaster in Blankenese könnte verschwinden

Nach Abendblatt-Informationen steht auch der Erhalt des Kopfsteinpflasters der Blankeneser Gätgensstraße in den Sternen. Dort soll, wie berichtet, eines Tages ein Teil der Veloroute 1 verlaufen. Bei einer Infoveranstaltung im Jahr 2018 hatte sich eine Mehrheit für den Erhalt ausgesprochen, das Amt versprach daraufhin Prüfung. Aktuell stehen Straßenarbeiten dort unmittelbar bevor.

Vonseiten der Behörden wird immer wieder angeführt, dass ein entferntes wie auch abgeschliffenes Pflaster dem Fahrradverkehr mehr Sicherheit und Komfort bringe, aber auch, dass durch diese Maßnahmen die Lärmbelästigung für die Anwohner reduziert werde.

Hamburg-Altona: Politiker nennt Entfernen des Kopfsteinpflasters „Posse“

Für Müller-Constantin überwiegen ganz klar andere Punkte: Das Pflaster senke das Tempo des Durchfahrtsverkehrs und trage so zu mehr Sicherheit bei. „Das Kopfsteinpflaster ist ökologischer als Asphalt, und nicht zuletzt macht es das Bild der Straßen schön und einzigartig.“

Hinzu komme, dass es bei Straßenbauarbeiten auch schnell und leicht aus- und wieder eingebaut werden könne. „Wir haben Eins-a-Kopfsteinpflaster, das herausgerissen und durch Asphalt ersetzt wird, der im Handumdrehen Risse und Löcher hat“, so der SPD-Politiker. „Diese Posse versteht doch kein Mensch.“