Hamburg. Den Besetzern der Roten Flora droht für ein Plakat mit den Gesichtern und Namen von vier verdeckten Ermittlern eine rechtliche Strafe. „Wir ermitteln wegen eines Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz. Es liegen zwei Strafanträge der Betroffenen vor“, bestätigte Polizeisprecherin Heike Uhde auf Anfrage. 30 behelmte Polizisten hatten das Plakat gegen 5 Uhr in der Nacht zu Dienstag übermalt. Mit schwarzer Farbe machten zwei Polizisten die Konterfeis und Namen ihrer Kollegen sowie das Polizeiwappen unkenntlich. Die Aktion dauerte laut der Sprecherin nur rund 10 Minuten.
Das Plakat hing zuvor seit Sonnabend an der Fassade der Roten Flora am Schulterblatt. Bereits als Autonome die Streifen des Plakates aufklebten, waren Beamte vor Ort und nahmen Personalien auf. Den Besetzern wird vorgeworfen, die Gesichter und Namen der ehemaligen verdeckten Ermittler ohne deren Einwilligung "öffentlich zur Schau gestellt“ zu haben. Im Falle einer Verurteilung droht den Autonomen eine Geldstrafe oder maximal ein Jahr Gefängnis.
Rote Flora kündigt "sportliche Reaktion" an
Das Plenum der Roten Flora hat nach eigenen Angaben mit der schnellen Reaktion der Polizei gerechnet. „Es wäre zu wünschen, dass die Polizei bei ihrer Einsatzgestaltung dieselbe Sensibilität für persönliche Daten an den Tag legen würde wie in diesem Fall“, sagte Andreas Blechschmidt, Sprecher der Roten Flora, dem Abendblatt. Blechschmidt kündigte an, dass es eine "sportliche Reaktion“ auf den Polizeieinsatz am Dienstag geben werde. "Dafür sind mehrere Varianten denkbar“, sagte Blechschmidt. Auch er war bei der Aufhängung des Plakates vor Ort und rechnet damit, "dass nun bald Post von der Polizei kommen wird“.
Nach Abendblatt-Informationen soll das übermalte Plakat zunächst aber nicht durch ein Neues ersetzt werden. Die Gesichter der Beamten waren leicht verfremdet, darunter standen ihre bürgerlichen Namen geschrieben. "Die Aktion kommt aus dem Kreis der Betroffenen. Diese Einsätze sind weiterhin nicht aufgearbeitet", hatte Blechschmidt am Montag gesagt. Die Polizei prüfte zunächst ihre Handhabe gegen die Aktion der Autonomen - und wurde nun durch die Nacht- und Nebelaktion selbst aktiv.
Ermittler sind weiterhin bei der Polizei
Die vier betroffenen Polizisten ermittelten unter falschen Namen jahrelang in der linken Szene und wurden von Recherchegruppen aus dem Umfeld der Roten Flora enttarnt. Zuletzt war im Mai 2016 bekannt worden, dass eine Ermittlerin des Landeskriminalamts bis zum Jahr 2013 als "Astrid Schütt" in der Szene aktiv war. Die Beamten sind weiterhin bei der Hamburger Polizei tätig. Die Konterfeis der enttarnten Polizisten an der Roten Flora waren mit dem Schriftzug "Gefunden!" versehen, eine Anspielung auf die laufende Kampagne der Polizei zur Nachwuchsgewinnung.
Die politische Aufarbeitung der Einsätze deckte auch schwere Mängel im Vorgehen der verdeckten Ermittler in der linken Szene auf. Aus der linken Szene heißt es, die Einsätze hätten viele Autonome „traumatisiert“ zurückgelassen. Der Senat hält grundlegend am Instrument der verdeckten Ermittler fest. Für die FDP dagegen ist die politische Aufarbeitung der verdeckten Ermittler in der Roten Flora noch nicht vorbei, sagte Carl Jarchow. „Allerdings kann man davon nicht ableiten, dass man Polizeibeamte an den Pranger stellen kann“, so der FDP-Innenexperte. Dass Beamte die Konterfeis unkenntlich gemacht haben, könne er daher nachvollziehen.
Christiane Schneider, Innenexpertin der Linken, verurteilt den Einsatz von verdeckten Ermittlern, „weil sie in politische Willensbildungsprozesse eingriffen. „Ich verstehe den Frust der linken Szene, halte aber die Veröffentlichung von Namen und Bildern für falsch und nicht zielführend. Ich fordere von der Polizei, den Einsatz verdeckter Ermittler in linken Strukturen zu beenden.“ Dennis Gladiator (CDU) sagte: „Die Unkenntlichmachung der Bilder der ehemaligen verdeckten Ermittler auf dem Plakat durch die Polizei war richtig und notwendig. Das öffentliche Anprangern von Personen stammt aus dem Mittelalter und ist auf das Schärfste zu verurteilen.“ Auch Arno Münster (SPD) kritisierte die Kenntlichmachung der Beamten. „Der Innenausschuss ist der richtige Ort, um eine sachgerechte und seriöse Aufklärung der Vorgänge zu betreiben.“ Und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hamburg verurteilte die Aktion der Roten Flora als „menschenverachtend“.
Polizei, Farbe, Autonome – da war doch was
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