Großprojekte verändern das Gesicht des Stadtteils: Rotlichtviertel wird abgerissen, das Kolbenschmidt-Gelände saniert. Einige alte Backsteinhallen sollen erhalten bleiben.

Hamburg. Ein Swingerclub, Prostituiertenwohnungen und rote „Open“-Schilder ließen zuletzt an der markanten Spitze der Ecke Bahrenfelder Chaussee/Von-Sauer-Straße in Altona erkennen, dass nicht mehr viel investiert wurde in dieses Areal. Viele andere Mieter waren aus den unterschiedlich hohen und großen Gebäuden dort bereits ausgezogen, heute noch sind etliche Fenster mit Brettern zugenagelt. Ein eher schmuddeliges, westliches Eingangstor zur Innenstadt hat sich dort entwickelt – zumal die Straße der direkte Zugang zur A7 ist. Ursprünglich sollten dort für eine komplette Neubebauung des Blocks die ersten Abrissarbeiten bereits im Mai beginnen, dann fehlten doch noch einige Genehmigungen. In diesen Tagen nun startet der Abbruch des „Bahrenfelder Rotlichtdreiecks“, wie ein Sprecher der MIC Immobilienentwicklung und Consulting GmbH bestätigt.

Das Unternehmen will dort rund 64,5 Millionen Euro investieren. Bis etwa Mitte 2015 soll auf einer 7600 Quadratmeter großen Fläche ein komplett neues Quartier mit Wohnungen sowie Gewerbe- und Einzelhandelsflächen gebaut werden. Für die markante Spitze sieht der aktuelle Entwurf einen Backsteinkomplex mit 170 sogenannten Microwohnungen vor.

Geplant sind dort kleine Apartments für Studenten und „andere Kurzzeitmieter“, heißt es in einer Beschreibung des Unternehmens. Die Miete soll etwa 10 Euro pro Quadratmeter betragen – was zwar unter heute üblichen Neubaumieten, aber deutlich über denen von Sozialwohnungen liegt. Allerdings sollen die kleinen Wohnungen komplett möbliert angeboten werden. Entlang der Von-Sauer-Straße werden im Erdgeschoss Einzelhandels- und Gewerbeflächen gebaut. Darüber sieht die Planung noch einmal den Bau von weiteren 143 Wohnungen vor. Baubeginn soll voraussichtlich im Sommer 2014 sein.

Aktuell wird im Bauausschuss der Altonaer Bezirksversammlung zudem über den anschließenden Block diskutiert, der von dem Unternehmen in einem weiteren Schritt als Neubau realisiert werden könnte, wie der Ausschussvorsitzende Mark Classen (SPD) sagt. Auch dort könnten noch einmal etwa 100 Wohnungen gebaut werden, so seine Einschätzung. „Das wird eine richtig gute Ecke“, so Classen.

Ein zweites großes Bauprojekt an der Grenze von Bahrenfeld zu Ottensen ist unterdessen ebenfalls einen deutlichen Schritt weiter: Für das ehemalige Kolbenschmidt-Gelände an der Friedensallee ist nach einem umfangreichen Beteiligungsverfahren jetzt der Architekten-Wettbewerb entschieden worden. Bis 2009 hatte auf dem Grundstück die Rheinmetall-Tochter Kolbenschmidt produziert. Dann wurde der Standort geschlossen, 120 Mitarbeiter verloren ihre Jobs. In den nachfolgenden Jahren sind in die alten Hallen viele kleinere Gewerbebetriebe gezogen, die in Altona zunehmend durch große Wohnungsbauprojekte aus ihren früheren Hinterhof-Werkstätten gedrängt werden. Politisches Ziel des Bezirks ist daher, dort zum einen neuen und „bezahlbaren“ Wohnraum zu schaffen, gleichzeitig aber auch weiter Platz für Gewerbebetriebe zu bieten. „Wir wollen nicht, dass diese Betriebe ins Umland verdrängt werden, sondern dort bleiben, wo ihre Kunden sind“, sagt Classen. Offensichtlich hat der Entwurf des Hamburger Büros Coido Architects diese Vorgabe gut getroffen, die Entscheidung der Preisjury war jedenfalls einstimmig, wie es hieß.

Der Entwurf sieht eben auch keine Radikalplanung vor: Einige alte Backsteinhallen bleiben demnach erhalten und sollen sich mit mehrgeschossigen Wohngebäuden und Stadthäusern abwechseln. In den Altbauten solle eine „Sanierung light“ vorgenommen werden, schlagen die Planer vor. Damit könnten für die gewerblichen Mieter wie beispielsweise Tischlereien oder eine Motorradwerkstatt weiterhin günstige Mieten angeboten werden. Grundsätzlich sollen die Gewerbebetriebe im nördlichen und die Wohnungen im südlichen Teil bis zur Friedensallee konzentriert werden. Die Grenzen würden jedoch „nicht klar, sondern weich und verschwimmend“ verlaufen. Einzelne Höfe und ein zentraler Platz sollen das Areal zudem gliedern. Insgesamt würden demnach 463 Wohnungen auf einer Fläche von 41.700 Quadratmetern gebaut, der Gewerbeanteil soll 18.500 Quadratmeter betragen. Der Entwurf soll nun Basis eines Bebauungsplans werden, Baustart könnte 2015 sein.