Der Bezirk will das Kolbenschmidt-Gelände je zur Hälfte für fast 350 Wohnungen und Kleingewerbe nutzen. Derzeit wird ein Bebauungsplan entwickelt.

Bahrenfeld. Gegenüber einer hübschen Gründerzeit-Häuserzeile an der Friedensallee zweigt das breite Kopfsteinpflaster zu einem Ziegelkomplex ab. Eine große Uhr hängt über einer der Hallen, Oldtimer sind davor geparkt. Nebenan sind in einem Backsteinbau Holzplatten einer Tischlerei gestapelt. Auf einem Parkplatz stehen fein aufgereiht Dutzende Motorräder.

Tobias Trapp hat hier seine Werkstatt bei der früheren Pförtnerloge des alten Fabrikareals in Bahrenfeld. Der hochgewachsene, schlanke Mann begrüßt den Besucher zwischen Regalen mit Öldosen und Schraubenschlüsseln und deutet nach draußen. „Last Exit Bahrenfeld, bevor wir ins Umland müssen“, sagt er und lacht.

26 meist kleine Gewerbebetriebe mit zusammen etwa 120 Mitarbeitern haben hier auf dem ehemaligen Kolbenschmidt-Gelände neue günstige Räume gefunden, nachdem die Industrieproduktion dort 2009 aufgegeben worden war. Oldtimer-Werkstätten, Tischler, ein Tonstudio. Meist sind es Hinterhofbetriebe, wie es sie früher in Ottensen oft gab. Wie die Trapp-Werkstatt mussten sie aber umziehen, weil im prosperierenden Altona immer mehr Flächen mit Wohnhäusern bebaut werden.

Wie es weitergeht, bleibt auch hier ungewiss. Der Bezirk Altona entwickelt für das alte Industrieareal zurzeit einen neuen Bebauungsplan. Grundlage dafür ist ein Architekten-Wettbewerb, der gerade in eine neue, entscheidende Phase getreten ist: Für die geplante Bebauung des Kolbenschmidt-Geländes hat eine Jury aus Planern, Investoren und Politikern jetzt drei von zehn Architektur-Entwürfen ausgewählt, die nun weiter konkretisiert werden sollen. Es ist eben ein besonderes Gelände, um das es dabei geht. Mitten im Bezirk Altona nahe dem S-Bahnhof Bahrenfeld ist es prädestiniert für den gerade in Altona nachgefragten Wohnungsbau. Aber es ist auch eine der letzten alten Industrieflächen, wo noch Platz für die Werkstatt von Tobias Trapp und die anderen Kleinunternehmen ist.

15 Jahre hatte Trapp seine Werkstatt an der Stahltwiete in Altona , dann kam 2011 die Kündigung. Innerhalb von drei Monaten musste er etwas Neues finden. „Und das musste auch bezahlbar sein“, sagt er. Was nicht einfach in einer wachsenden Stadt wie Hamburg ist: Gut fünfmal teurer ist der Boden in Hamburg, wenn dort Wohnungen statt Werkstätten stehen können.

Noch aber gilt das Kolbenschmidt-Gelände als Gewerbegebiet: Seit gut 100 Jahren war das etwa 40.000 Quadratmeter große Areal an der Friedensallee 128 Industriestandort, hier wurde malocht, krachten Hämmer auf Metall, brüllten Kompressoren, wurde Staub durch die Luft gewirbelt. Zunächst bei einer Gießerei, später produzierte dort Kolbenschmidt, ein Unternehmen der Rheinmetall AG, für die Pkw-Industrie.

Sechs alte Backsteinwerkhallen stehen hier, dazu ein Verwaltungsgebäude und Technikhäuser wie das alte Kompressorenhaus. 2009 war Schluss für den Standort Bahrenfeld. 180 Mitarbeiter standen quasi über Nacht regelrecht vor verschlossenen Türen. Jetzt will die Rheinmetall Immobilien GmbH das Gelände entwickeln, wie es in der Immobilienbranche heißt.

Politisches Ziel des angestrebten Bebauungsplans ist aber eine neue Mischung aus Wohn- und Gewerbegebiet, wie es sie in dieser Form bisher in Hamburg noch nicht gibt. So sieht es jedenfalls der Altonaer SPD-Politiker und Vorsitzende des Planungsausschusses, Mark Classen. „In diesem Umfang gibt es das bisher nicht in der Stadt“, sagt er.

Eine dreistellige Millionensumme könnte dort investiert werden, schätzt er. Etwa 30.000 Quadratmeter Fläche für den Wohnungsbau mit 250 bis 350 Wohnungen wären möglich. Und noch einmal 30.000 Quadratmeter für Gewerbebetriebe.

Das ist die politische Vorgabe für Rheinmetall, die dazu und mit der „Dialog-Werkstatt“ auch eine neue Form der Anwohnerbeteiligung gewählt hat. Unter „Gewerbe“ will Classen aber nicht Büros verstanden wissen. Platz solle dort vor allem auch für Kreative oder Handwerker wie die Trapp-Werkstatt sein.

Inzwischen hat die Politik in Altona eben erkannt, dass die massive Förderung des Wohnungsbaus an anderer Stelle auch negative Folgen haben kann: Innerhalb von nur zehn Jahren schmolz die Gewerbefläche im Bezirk von 358 Hektar auf 314 Hektar.

In diesem Jahr reagierte Altona daher mit einem neuen Gewerbeflächenkonzept. Ziel dabei: Handwerksbetriebe sollen möglichst kundennah gehalten werden, Handwerkerhöfe sollen entstehen, wo die Mieten nicht mehr als 8 Euro kosten sollen. „Wir wollen nicht, dass alle nach Schenefeld abwandern müssen – weit weg von ihren Kunden“, sagt Classen.

Das neue Konzept für das Kolbenschmidt-Gelände ist ein Teil dieser Gewerbeflächen-Strategie. Ein anderer ist, dass mit Bebauungsplänen und Veränderungssperren Nischen für solche kleinen Betriebe bleiben, die längst nicht so hohe Mietpreise zahlen können wie etwa große Einzelhandelsketten.

Doch nicht immer klappt das so wie gewünscht: So hat die Bezirksversammlung Altona zum Beispiel für ein Areal an der Ruhrstraße in Altona jüngst eine solche Veränderungssperre erlassen, die ausdrücklich auch für das ehemalige Gebäude des Kaufhauses 1000 Töpfe gilt. Auch dort sollte Platz für Kleinbetriebe geschaffen werden, hieß es in der Begründung. Doch nun hat in dem Haus eine Baumarkt-Filiale eröffnet.

Die Politik ist da machtlos, wie Classen einräumt. Zwar waren Bauprüfer des Bezirks schon vor Ort, doch der Baumarkt verweist schlicht darauf, dass die alte Nutzung nur fortgeführt wird. Und nichts neu gebaut wird. Ein Trick, um die Veränderungssperre zu umgehen. Der erhoffte Platz für die bedrängten Handwerker aus Altona ist damit vergeben. Nun ruht die Hoffnung auf das Kolbenschmidt-Gelände, dass es dort besser für die Kleinbetriebe aus Altona läuft.

Weitere Entwürfe für das Kolbenschmidt-Gelände im Internet unter www.dialogwerkstatt-friedensallee.de