Eine Einigung zwischen dem SV Lurup und der Stadtteilschule bringt Vorteile für alle: Binnen weniger Jahre werden im Stadtteil 1000 Wohnungen und zudem auch ein Sportpark gebaut.
Lurup. Im Nordwesten Hamburgs tut sich eine Menge: Lurup ist auf gutem Wege, sein Erscheinungsbild erheblich zu verbessern. Binnen weniger Jahre sollen im Stadtteil 1000 Wohnungen, ein Schulneubau, ein Sportpark und ein Technologiezentrum entstehen. Die Entwicklung verläuft überwiegend einmütig. Vor Ort nennen sie diese Harmonie der Interessen und Ziele „Luruper Kultur“.
„Anderswo wären die aktuellen Pläne gut für mindestens zwei Bürgerbegehren dagegen“, sagt Thomas Adrian, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksversammlung Altona. „Da alle an einem Strang ziehen, entwickelt sich Lurup zusehends von einer grauen Maus zu einem lebendigen, technikfreundlichen Stadtteil.“ Sven Hielscher, stellvertretender CDU-Fraktionschef in Altona, sieht die Zukunft ähnlich: „Lurup wird bunt und attraktiv. Es gibt ausschließlich Gewinner.“ Wegweisende Beschlüsse im sonst politisch turbulenten Bezirk wurden einstimmig gefällt.
Der größte Coup ist ein Doppelpass des SV Lurup mit der benachbarten Stadtteilschule. Von diesem unkonventionellen Tausch profitieren beide Seiten. Vereinfacht sieht das Geschäft so aus: Der 2000 Mitglieder starke Sportverein opfert freiwillig einen Teil seiner Sportplätze. Im Gegenzug erhält er in einem nahe gelegenen Sportpark zwei komplett neue Kunstrasenplätze, deren Finanzierung im Alleingang nicht möglich gewesen wäre. Als Ersatz für das alte Stadion Flurstraße wird eine neue, für bis zu 5000 Zuschauer geeignete Anlage inklusive Tribüne geschaffen. „Unterm Strich geht’s vorwärts“, meint Susanne Otto, 3. Vorsitzende des SV Lurup bei einer Tasse Kaffee und Mohnkuchen im Vereinsheim.
Weitere Profiteure dieses Ringtausches sind derzeit 900 Schüler und 120 Lehrer der Stadtteilschule Lurup. Diese ist noch auf drei Standorte verteilt, die bis zu 1,7 Kilometer auseinander liegen. Auf dem jetzigen Gelände des SV Lurup soll bis 2016/17 ein Neubau entstehen. Rund 35 Millionen Euro für das Gebäude und die umliegenden Sportflächen, welche wiederum nicht nur von der Schule genutzt werden können, trägt die Stadt. „Das nutzt dem Stadtteil insgesamt, besonders jedoch den Kindern und Jugendlichen“, sagt Schulleiter Joachim Hinz. Ständige Gespräche mit dem Sportverein, den Bürgerforum und Politikern aller Parteien sind für ihn selbstverständlich.
Dritte im Bunde der fünf Lurup-Profis beim Ortstermin des Abendblatts ist Sabine Tengeler, ehrenamtliches Geschäftsführungsmitglied des Stadtteilbeirats „Luruper Forum“ und Aktivistin des lokalen Stadtteilhauses am Böverstland 38. Im Forum sind rund 50 Vereine, Institutionen, soziale Dienste, Schulen, Parteien und Einzelpersonen vereint. Einmal monatlich wird getagt, demnächst am 25. September. „Diese Kultur des Miteinanders ist ein Motor der Luruper Entwicklung“, sagt Frau Tengeler.
Nicht nur sie sieht ihren Stadtteil im Aufwind. „Es wird viel unternommen für Wohnen, Arbeit, Naherholung, Sport und Freizeit, aber auch für innovative Zukunftstechnologien“, sagt CDU-Politiker Sven Hielscher zu Lurups Entwicklung. Ein gutes Beispiel sei der erheblich aufgewertete, Anfang dieses Jahres eingeweihte Eckhoffplatz als traditionelles Ortszentrum. Hinzu kommen fast 1000 neue Wohnungen an der Luruper Hauptstraße und der Elbgaustraße.
Altonas SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Adrian, von Haus aus gebürtiger Luruper, erwartet dadurch mehr als 2000 zusätzliche Einwohner in Lurup. Mit momentan gut 34.000 Bürgern könnte Lurup bald Ottensen (36.300 Einwohner) als bevölkerungsreichstem Stadtteil des Bezirks Altona Konkurrenz machen.
Trotz der einvernehmlichen Haltung unter anderem im Stadtplanungsausschuss sind die Verhältnisse in Lurup klar. Bei der letzten Bürgerschaftswahl erhielt die SPD 59,5 Prozent, die CDU 17,3 Prozent, und die Linken (7,9) mehr als Grüne (5,1) und FDP (4,6). Umso überraschender ist die ganz große Koalition pro Lurup.
Kernprojekt lokaler Veränderung ist die Umwidmung einer noch brachliegenden Fläche zwischen Luruper Hauptstraße und Elbgaustraße. In direkter Nachbarschaft zum Forschungszentrum Desy ist ein 4,5 Hektar großer Technologiepark geplant. Mindestens 30 Grundstücke sollen an Firmengründer vergeben werden. Die seit 1927 in Lurup ansässige Hermes Schleifmittel GmbH, größter Arbeitgeber vor Ort, konnte zwar vor der Insolvenz gerettet werden, musste allerdings einen Teil des Werksgeländes abtreten – auch dort entstehen teilweise neue Wohnungen.
Die Allianz zwischen dem SV Lurup und der Stadtteilschule beweist den gemeinsamen Willen zur Gestaltung. „Die Bürger können sich auf ein neues Zentrum freuen, weil Bildung, Sport und Kitas zusammenwachsen“, weiß Werner Oldag, bis vor kurzem Vorsitzender des SV Lurups und Kenner des Stadtteils. Seine Erfahrung: „Alle Beteiligten eint das Bewusstsein, an einem Strang zu ziehen.“ Mit dieser Grundeinstellung könne man gemeinsam Hürden überspringen.
Mitstreiter Werner Schönau, Geschäftsführer des Vereins und seit drei Jahrzehnten Mitglied, bringt die mehrheitliche Meinung so auf den Punkt: „Natürlich schmerzt unseren traditionsbewussten Fußballern das Herz, jedoch hilft letztlich ein gutes Gefühl, dass alle siegen.“