Gegensätze sind im Schanzenviertel Alltag. Autor und Fotograf Martin Musiol hat sie in Jahrzehnten festgehalten. Er will eine Geschichte erzählen „von den Menschen, die hier an den Wänden Spuren hinterlassen haben“.

Das Schanzenviertel ist eine Festung. Historisch jedenfalls. Da ist zum einen der Name, der auf die aus dem 17. Jahrhundert stammende Verteidigungsanlage zurückgeht. Die Anlage stand dort, wo heute der Schanzenpark mit dem zum Hotel umgebauten früheren Wasserturm steht. Richtig gekämpft wurde hier aber nur einmal, als 2000 Hamburger im Jahr 1686 der dänischen Belagerung durch 12.000 Soldaten standhielten. Gut 100 Jahre später wurde die militärische Anlage abgerissen.

Hier, vor Hamburgs Stadtmauern, auf dem Weg zum Dorf Eimsbüttel, war es sumpfig und ziemlich einsam. 1686 öffnete allerdings ganz in der Nähe das Gasthaus mit dem Namen „Bey dem Schulterblatt“, nach dem ein halbes Jahrhundert später auch die Straße benannt wurde.

Nach und nach entstand hier ein Arbeiterviertel. In den 1980er-Jahren zogen viele Studenten in die Altbauwohnungen, von denen viele noch Ofenheizung hatten. In den 90ern ruinierte ein reger Drogenhandel im Sternschanzenpark den Ruf des Viertels. Aber in den Folgejahren griff die sogenannte Gentrifizierung: sanierte Wohnungen zogen kaufkräftige Bewohner an, es folgten Szenelokale und Büros für Kreative.

Heute gilt die Schanze als Szeneviertel mit hohen Mieten und Party-Meile – und dem Dauer-Ärgernis Rote Flora, dem besetzten Stadtteil-Kulturzentrum, das kürzlich erneut in die Schlagzeilen geriet, weil der Eigentümer, Investor Klausmartin Kretschmer, angeblich den Verkauf des einst von der Stadt erworbenen Gebäudes vorbereitet.

Martin Musiol, 63, kam als Student hierher, hat 25 Jahre hier gelebt, geheiratet, Kinder bekommen und zeitweise als Lehrer in der Schanze gearbeitet, sich als Künstler und im Sanierungsbeirat engagiert – und „sein“ Viertel immer wieder fotografiert, über Jahrzehnte. Seine „Fotografischen Botschaften aus dem Hamburger Schanzenviertel“ hat er jetzt als Buch herausgebracht. Mit den Bildern will er eine Geschichte erzählen „von den Menschen, die hier an den Wänden Spuren hinterlassen haben“.

Martin Musiol, Wände der Schanze, Verlag Auf Der Warft, Hamburg/Münster, 21,80 Euro (plus Porto, zu beziehen über martin.musiol@t-online.de )