Auf dem Heiligengeistfeld wird derzeit wieder mal gebaggert: Kampfmittel-Bergung. Unter der Gegengeraden des Millerntor-Stadions aber hat das Hämmern, Schrauben und Kleben ein Ende: Seit Donnerstagabend – dem Gründungsjahr des Clubs entsprechend um 19.10 Uhr – hat das FC St. Pauli Museum seine erste Dauerausstellung. Die Schau „Kiezbeben 2.0 – Politik und Totenköpfe“ ist immer von Donnerstag bis Sonntag zu erleben.

Ein Erlebnis, in das Innere des „etwas anderen Vereins“, aber auch in das des Stadtteils St. Pauli einzutauchen, ist der Besuch allemal. Vom Ende der 7oer bis zur Gegenwart spiegeln sich beim Rundgang auch vier Jahrzehnte Hamburger Entwicklungs- und Zeitgeschichte. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, erinnert Vorstand und Kurator Christoph Nagel an die Anfänge des 2012 gegründeten Museums. Ursprünglich sollte in die Gegengerade die Dom-Wache der Polizei einziehen. Mit zwölf Hauptamtlichen und 20 Ehrenamtlichen, allen voran Archivar Rainer Klinitzki, zeigt Nagel nun auf 600 Quadratmetern was den FC St. Pauli so besonders macht(e).

Basierend auf der „Kiezbeben“-Schau, die im Vorjahr 7000 Menschen sahen, dreht es sich nicht nur um Fußball. Der Rundgang beginnt in einem 1970er-Wohnzimmer, an deren Wand fünf neue Tafeln die Vorgeschichte der „wilden 80er“ und frühen 90er erzählen. Nach der Bundesliga-Saison 1977/78 und dem Entzug der Zweitliga-Lizenz im Jahr darauf stand St. Pauli Jahre am Abgrund. Plakate, als der Club 1984 am letzten Spieltag mit Unterstützung der Old Merry Tale Jazzband gegen Meppen um Zuschauer warb oder ein Artikel, der schildert, wie St. Pauli 1985 vor 400 (!) Zuschauern gegen Braunschweigs Ama­teure um Punkte kickte, zeugen davon. 15 Bodenvitrinen mit alten Wimpeln oder „Buffern“ lassen das Besucherherz höherschlagen. Dazu kommen etwa 200 Fotos und Sammlerstücke an den Wänden, auch Videos und Tonaufnahmen sowie eine neue interaktive Video-Box.

Die Geschichte, wie der Punker „Doc Mabuse“ 1986 mit seiner selbst gebastelten Totenkopf-Fahne den Wandel vom bürgerlichen Verein zum rockig-rebellischen FC auslöste, ist nicht neu. Sie führt aber zu den Kämpfen um die besetzten Hafenstraßen-Häuser 1988, anschaulich gemacht mit einem fünf Meter breiten Bild inklusive Barrikaden davor.

Ex-Hafenstraßen-Bewohner Volker Ippig symbolisiert das, sein Torwartkollege Klaus Thomforde die Zeit davor und danach. 1991 verabschiedete der FC St. Pauli als erster deutscher Verein eine antirassistische Stadionordnung, ein Vorbild für viele. Der Clou des Museums aber ist die Außenstelle mit der alten, noch von Hand betriebenen Anzeigetafel – je nach Wunschergebnis und -gegner ein beliebtes Fotomotiv. Und wer mal aufs Klo muss, sieht an einer Wand einige recht plumpe Anti-FC-Schals und -Sticker: „Scheiss St. Pauli.“ Welcher Verein sonst zeigt so viel Selbstironie?

„Kiezbeben 2.0.“ ab 24.1., donnerstags 15 bis 22 Uhr, freitags 15 bis 19 Uhr, sonnabends und sonntags 11 bis 19 Uhr, FC St. Pauli Museum/Millerntor-Stadion, Gegengerade (U St. Pauli, U Feldstraße), Heiligengeistfeld, Eintritt 4 (ermäßigt) bis 10 Euro